Two Lines Pica, Antique.
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Abbildung 321 Erste Egyptienne in Vincent Figgins Musterbuch. 1815
TWO LINE ENGLISH EGYPTIAN.
Quosque tandem abut ere Catilina
patientia nostra? quamdiu nos
W. THOROWGOOD.
Abbildung 322 Frühe Egyptienne von Robert Thome
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TWO LINES ENGLISH EGYPTIAN.
W CASLON JUNR LETTERFOUNDER
TWO LINES ENGLISH OPEN.
SALISBURY SQUAME.
Abbildung 323 Erste Grotesk im Schriftmusterbuch von W. Caslon. 1816
FRY AND SON AMSTERDAM WIEN
Abbildung 324 Frühe Egyptienne Abbildung 32; Frühe Grotesk
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WESTMORE ITALIAN
Abbildung 326 «Tuscan»
Abbildung 327 «Italian»
gesetzten Balkenschraffen. Damit deutete sich eine Ent¬
wicklung zur Antiqua-Egyptienne an, die später neben der
Clarendon eine eigene Bedeutung gewann. Bei den immer¬
währenden Abwandlungen entstand auch eine Egyptienne
mit betont hohen Serifenflächen. Einige dieser frühen eng¬
lischen Itfliienne-Sc/triften sind in den Grundformen häßlich
verzerrt. Nur in den späteren sehr schmalen Italienne-
Schriften finden wir wieder reizvolle Formen, und zwar
sowohl mit scharfkantigen wie auch mit eingekehlten Bal¬
kenfüßen. Alle diese Formen verbreiteten sich von Eng¬
land aus über alle Einflußgebiete der lateinischen Schrift
in Europa und Übersee.
In der Absicht, etwas Absonderliches zu schaffen, wur¬
den wiederum zuerst in England die Tuscan- oder Tosca-
nienne-Schriften geschnitten. Ihr Kennzeichen sind in der
Mitte gespaltene und teilweise sichelförmig nach außen ge¬
bogene Serifen. Die Konkurrenz der Schriftgießereien ließ
immer neue Varianten entstehen, und so entsprossen einer
nicht sonderlich künstlerischen Phantasie Verbindungen
oder Kreuzungen der Toscanienne mit der Clarendon, der
Italienne, der fetten Antiqua und der Grotesk. Teilweise
wurden einfach die Oberteile der Buchstaben von der
Toscanienne mit den Unterteilen einer Egyptienne ver¬
bunden, und so entstanden Schriftgebilde, die man mög¬
licherweise als kurios, wahrscheinlich besser jedoch als ge¬
schmacklos bezeichnen sollte.
Wesentlich anders muß eine weitere, die wichtigste
Schrift jener ersten Jahrzehnte des neunzehnten Jahrhun¬
derts beurteilt werden. Die serifenlose Linearantiqua, eine
Antiqua mit annähernd gleicher Strichstärke, führt die la¬
teinische Schrift auf ihre Grundelemente zurück. Den
gleichstarken Linearzug ohne Serifen kennen wir bereits aus
antiken griechischen und römischen Schriften. Es ist jedoch
kaum anzunehmen, daß die ersten Autoren dieser Schrift¬
art so prinzipielle Überlegungen angestellt hätten, eher
kann man vermuten, daß auf der Suche nach dem Abson¬
derlichen und immer neuen Abwandlungen der Serifen
diese auch einmal weggelassen wurden. Die erste serifen¬
lose Linearantiqua erschien 1816 bei dem Schriftgießer
William Caslon IV. Schnell folgten die anderen eng¬
lischen Gießereien. In dem Schriftmusterbuch von Тно-
ROWGOOD wird die neue Type 1832 zum ersten Mal als
Grotesque vorgestellt, und in dem Musterbuch von Vin¬
cent Figgins aus dem selben Jahr heißt sie sans serif. Man
mag bedauern, daß sich in Deutschland der komisch klin¬
gende Name Grotesk für diese sachliche und keineswegs gro¬
teske Schrift durchgesetzt hat und erst in der Gegenwart
durch die Bezeichnung Serifenlose abgelöst werden soll.
Die Proportionen der Grotesk entsprachen denen der
klassizistischen Antiqua. Die Großbuchstaben haben sich
in den Breiten stark angenähert. Die Minuskeln sind sta¬
tisch und symmetrisierend, in manchen Schriften sogar
fast geometrisierend gezeichnet. Sehr schnell erschienen
fette, extrafette, breitfette und schmalfette Varianten in
fast allen Gießereien der Welt, denn der Grundgedanke
der serifenlosen Linearantiqua wurde auch auf die Kyril-
liza, die arabische und sogar die chinesische und japanische
Schrift übertragen. Die Grotesk wurde in zunehmendem
Maße für Werbe- und Gelegenheitsdrucke eingesetzt. Auf
Plakaten, Schildern, bei Ausstellungen und in Verbindung
zur Architektur ist sie durch ihre einfache und zweck¬
mäßige Linienführung zur unentbehrlichen Schrift ge¬
worden. Die Verwendung von Groteskschriften in Büchern
mit fortlaufenden Texten bewies jedoch, daß sie weniger
gut lesbar ist als die Antiqua mit ihren buchstabenverbin¬
denden Serifen oder Schraffen, denn schließlich lesen wir
nicht Einzelbuchstaben, sondern Silben- oder Buchstaben¬
gruppen.
Alle in diesem Zusammenhang genannten Schriften der
ersten Jahrzehnte des neunzehnten Jahrhunderts, die fette
Antiqua, die Egyptienne, die Toscanienne und die Grotesk,
wurden auch in vielfältigen dekorativen Abwandlungen
auf den Markt gebracht. Man erfand lichte, umstochene,
plastische, ornamentierte, schattierte und viele andere Ab¬
wandlungen, meist ohne künstlerischen Wert. Doch einige
dieser Schriften entbehren nicht eines gewissen ästhetischen
Reizes und lassen sich auch in der Gegenwart noch zu Aus¬
zeichnungszwecken in der Werbung verwenden.
In den nächsten Jahrzehnten, um die Mitte des neunzehn¬
ten Jahrhunderts, erleben wir einen nie gekannten Tief¬
stand der Schriftkunst, der hinüberführt in den sogenann¬
ten Historismus. Die vorherrschende Schrift ist immer noch
die klassizistische Antiqua im Didotschen Typus, aber ihre
Formen waren schwächlicher und langweilig geworden.
Abbildung 32S Mißbildungen der Egyptienne
Vergleiche die Abbildungen auf den Seiten 201 bis 203
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