Abbildung 186 Geschriebene Fraktur
Abbildung 187 Versalien der Ehrenpforte
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Abbildung 188 Fraktur aus dem Teuerdank
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Abbildung 189 Neudörffer-Andreä-Fraktur
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Abbildung 190 Fraktur von Feyerabend
und bewegt ; die Fraktur en tspricht der konsonantenreichen
deutschen Sprache und gestattet das schnelle Erfassen
ihrer verhältnismäßig langen Wörter.
Neben der Schwabacher, der oberrheinischen Schrift und
der Fraktur gab es eine große Anzahl weiterer Zwischen¬
formen zwischen Gotik und Antiqua. Es würde zu weit
gehen, diese Differenzierung zu besprechen. Ebenso wie in
Frankreich und Holland die teilweise sehr schönen Bastard¬
formen von der Antiqua abgelöst wurden, wäre dies später
auch in Deutschland den Zwischenformen ergangen, wenn
nicht gesellschaftliche Ereignisse hier eine andere Ent¬
wicklung bedingt hätten.
Die Niederlage der deutschen Bauern im Bauernkrieg
1525 hatte wesentlichen Einfluß auf die kulturelle und auf
die Schriftentwicklung in Deutschland. Die evangelische
Kirche stützte sich seitdem vor allem auf die Fürsten und
behütete das Zunft- und Spießbürgertum sowie die Klein¬
staaterei, während die katholische Kirche im Absolutismus,
der höchsten ökonomischen Form des Feudalismus, das
Bündnis des Königtums mit dem Kaufmannskapital und
den Städten einsegnete. Die Humanisten, auch die deut¬
schen, die erst der Reformation freundlich gegenüberstan¬
den, kehrten in der Mehrzahl nach der unglückseligen
Wendung in Deutschland wieder in den Schoß der katho¬
lischen Kirche zurück. Seitdem wurde die humanistische
Minuskel als «lateinische Schrift» in immer stärkerem
Maße in den Drucken der katholischen Kirche verwandt.
Die evangelische Kirche dagegen neigte sich seit dieser
Zeit entschieden der Fraktur zu. Ihrer Bindung an die
Fürsten und die bestehenden sozialen Verhältnisse ent¬
sprechend, ist sie an einer Weiterentwicklung und Ver¬
änderung nicht interessiert. Ihre Parteilichkeit in der da¬
mals entstandenen Auseinandersetzung über die Schrift
beweist unter anderem das Nachwort einer bei Hans
Lufft in Wittenberg erschienenen Lutherbibel.20 Hier
wird erklärt, daß Frakturversalien in der Bibel immer
dann im Satz verwendet werden, wenn von Gnade und
Trost die Rede ist, daß jedoch Antiquaversalien gedruckt
sind, wenn der Text von Strafe und Zorn handelt. Die Ab¬
neigung der deutschen herrschenden Klassen gegen die
römische Kirche, gegen Italien und Frankreich führte zu
einer Abneigung gegen die Antiqua. Es waren also nicht die
religiösen Bestrebungen oder die Kirchen, die sich die
neuen Schriften schufen - diese benützten lediglich die
bereits entstandenen Schriften in ihrem Sinne und ließen
andere Formen verkümmern. Das Volk selbst, das an die¬
ser Entwicklung nur passiven Anteil nahm, fand die Frak¬
tur, da alle deutschsprachige Literatur, Bibeln, Gesang-
und Lesebücher, in dieser Schrift gedruckt wurden, bald
selbstverständlicher, und die Fraktur erhielt den Namen
«deutsche» Schrift.
20 Im Nachsatz der Lutherbibcl des Hans Lufft, Wittenberg 1545,
steht folgender Nachsatz von Rörer (Rorarius) : «... sind zweyerlei
Buchstaben der 2t® (5 und ABC Gestalt gesetzt, dem unerfarenen
Leser Unterschied anzuzeigen. Das so dieser 2133(5 stehen, die
Schrift rede von Gnade, Trost usw., die ABC von Straffe.»
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Abbildung 191 Die vier Arten der deutschen Kurrent
Das Buch- und Schriftwesen in Deutschland reagierte
auf alle gesellschaftlichen Bewegungen. Schien noch im
fünfzehnten Jahrhundert die Antiqua Erbin der Textur zu
werden, so errangen von etwa 1480 bis 1525 die Schwa¬
bacher und anschließend die Fraktur die führende Rolle
unter den Schriften. Die erste Antiquatype in Deutschland
verwandte Adolf Rusch, der 1467 bis 1489 in Straßburg
druckte. Die erste Kursiv erschien 1525 bei einem unbe¬
kannten Drucker in Basel. Diese Kursiv ist deshalb be¬
merkenswert, weil sie zum ersten Mal schräggestellte Ver¬
salien benutzte. In diesen beiden Schriftarten hat Deutsch¬
land während der Renaissance den Italienern nichts
Gleichwertiges zur Seite zu stellen. Die gegen Ende des
fünfzehnten Jahrhunderts aus Italien zurückkehrenden
deutschen Drucker brachten technische Neuerungen mit,
ihre in Italien behebten Antiquaschriften vermochten je¬
doch in Deutschland nicht heimisch zu werden. Die deut¬
schen Antiquaschriften streiften das Gotische, Eckige nie
ganz ab. Ihr Erkennungsbuchstabe ist der Versal A, der
oben immer einen Querstrich, ein Dach oder eine Ver¬
breiterung aufweist.
Als Ausdruck des Tastens nach einer nationalen Schrift¬
form können die Mischschriften gewertet werden, die am
Ende des fünfzehnten Jahrhunderts ziemlich verbreitet
waren. Wir finden da Antiquaminuskeln mit Schwabacher-
oder frakturähnlichen Versahen ebenso wie Bastardminus¬
keln mit Antiquaversalien gemischt.
Die volkstümlichen Drucke vor dem Bauernkrieg ver¬
wenden als Type die am Druckort heimische Bastarda. Die
fränkische Schwabacher wurde einfach deshalb häufiger
verwendet, weil hinter ihr der wirtschaftliche und kul¬
turelle Einfluß Nürnbergs stand. Die Wittenberger Fraktur,
die sich nach dem Bauernkrieg in ganz Deutschland ver¬
breitete, verdankt ihren Einfluß der regen literarischen
Tätigkeit des Reformators. Diese beiden Tatsachen unter¬
streichen den engen Zusammenhang zwischen wirtschaft¬
licher und kultureller Entwicklung und der Veränderung
der Schriftformen.
Die glanzvolle Periode der Buch- und Schriftkunst, die
in Deutschland mit Gutenbergs 42zeiliger Bibel begann
und die von der sozialen und kulturellen Bewegung der
deutschen Renaissance weitergetragen wurde, ging in der
Mitte des sechzehnten Jahrhunderts zu Ende. Mehrere
Tausend Schrifttypen waren in dieser Zeit in vielen Städten
Deutschlands entstanden, Zehntausende Werke wurden
gedruckt, und aus der Masse der Leistungen leuchten so
berühmte Namen wie Peter Schöffer, Johann Sen-
SENSCHMIDT.GEORGUndMlCHAELREYSER.RATDOLT,
Günter Zainer, Johann Schönsperger und Anton
Koberger. Einige Druckereien entwickelten sich auf der
Grundlage der Manufaktur der Renaissance. Koberger
in Nürnberg zum Beispiel beschäftigte bereits über hundert
Gesellen, Setzer, Korrektoren, Drucker, Buchbinder und
Illuministen.
Etwas später und nicht in demselben Umfang wie in
Italien erschien auch in Deutschland eine Schreibmeister¬
literatur. Die Zeichnungen von Albrecht Dürers
Antiquaversalien wurden bereits erwähnt. Seine entspre¬
chende Konstruktion einer gotischen Minuskel mußte mi߬
lingen, da die Textur nur vom Schreiben her verstanden
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