Abbildung i6i Lettera imperia le
Abbildung 162 Lettera bollatica
mit der Konstruktion der lateinischen Großbuchstaben aus¬
einandersetzt und diese etwas willkürlich mit den Propor¬
tionen des menschlichen Körpers in Beziehung bringt.
Weitere Konstruktionen findet man kaum, und auch die
humanistische Kursiv kann sich in Frankreich erst spät
durchsetzen und findet sich als Italique, als Italica erst in den
Schreibmeisterbüchern der zweiten Hälfte des sechzehnten
Jahrhunderts.
Großes Echo fand in Spanien das erstmals 1547 heraus¬
gegebene Schreibbuch des Yuan da Yciar, in dem die
Versalien in der bekannten italienischen Art dargestellt
sind. Gotische Einflüsse bleiben in Spanien länger merkbar
als in Frankreich, und die Alphabete der Schreibmeister
bringen immer wieder die Letra bastarda, die sich aller¬
dings in ihrer Form weitgehend als Renaissance-Kursiv
zeigt.
Während in den lateinischen Ländern die Schriftreform
zur Antiqua durchgeführt wurde, verwendete man in
Deutschland die Gotisch längere Zeit weiter und entwickel¬
te sie dann zur Fraktur. Der Humanismus, der mit dem
Bürgertum entstand, faßte in Deutschland nicht die starken
Wurzeln wie in Italien und in einigen Städten Hollands,
und die humanistische Schrift konnte deshalb in Deutsch¬
land nicht in derselben Zeit ihre Verbreitung finden wie in
Italien. Daß die Einführung der Antiqua besonders der
Schriftpropaganda der Humanisten zu danken war, ist bei
einem Vergleich der Handschriften des fünfzehnten und
des beginnenden sechzehnten Jahrhunderts erkennbar.
Während die Fürsten, die Geistlichkeit und die Juristen die
gotische Schreibschrift bevorzugen, verwenden die Huma¬
nisten konsequent Antiqua und Antiqua-Kursiv.
Die deutsche Handschrift der Renaissance ging aus der goti¬
schen Handschrift hervor vuid zeigt verschiedene Schreib¬
richtungen von der betonten Linkslage bis zur ausgespro¬
chenen Rechtsneigung. Die Vorliebe zum Schmücken und
Fabulieren führte bei starker Schleifenbildung oft zu einem
Nachteil für die Lesbarkeit. Feinste landschaftliche Unter¬
schiede und wechselseitige Beziehungen zu den vielartigen
Schrifttypen der deutschen Renaissance könnten bei nähe¬
ren Untersuchungen gezeigt werden. Es wird also im
sechzehnten Jahrhundert in Deutschland üblich, zwei ver¬
schiedene Handschriftformen zu schreiben, die lateinische
und die deutsche Kurrent. Erasmus von Rotterdam,
Pirckheimer, Calvin und Zwingli, auch Melanch-
thon schreiben vorwiegend in lateinischen Buchstaben,
Thomas Müntzer, Karlstadt, Ulrich von Würt¬
temberg und die anderen deutschen Fürsten, Luther
und die an der Reformation beteiligten Theologen neigen
zur deutschen Handschrift. Es wird üblich, die lateinische
Handschrift für die lateinische Sprache und die deutsche
Kurrent für die deutsche Sprache zu verwenden.
Noch deutlicher zeigt sich der Gegensatz im Buchdruck.
Beim Betrachten der Wiegendrucke bestätigt sich diese
Ansicht. Und auch Haebler weist daraufhin, daß bei den
Druckern des fünfzehnten Jahrhunderts die Gepflogenheit
bestand, Bücher der Theologen und Juristen in gotischen
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oder rundgotischen und alle übrigen Bücher in Antiqua¬
typen zu drucken. Wie kam das? Es ist offensichtlich, daß
sich hier das ästhetische Empfinden der Auftraggeber
zeigt. Humanisten und Kauf leute, die Vertreter des Neuen
in der Renaissance, verlangten die Antiqua, Theologen und
Juristen als die typischen Vertreter des alten Überbaus
hingen an den überlieferten mittelalterlichen Formen. In
Italien ist das Neue aber bereits erstarkt und imstande, sich
durchzusetzen. (In Italien wird die Tendenz zur Antiqua -
wie bereits früher erwähnt - durch die Schriftdenkmale der
römischen Antike unterstützt.) In Frankreich, England und
auch in Spanien verlief diese ästhetische Entwicklung, ent¬
sprechend ihrer späteren ökonomischen Entwicklung, in
ähnlicher Weise.
In Deutschland sind dagegen die Kräfte des Alten stärker.
Die Bewegung geht vorläufig in derselben Richtung, wenn
auch langsamer. In der Gotik war es üblich, lateinische
Texte in der Textur sorgfältig und auf bestem Material zu
schreiben. Werke der deutschen Sprache schätzten die
Schreiber nicht so hoch ein, hier genügte die flüchtigere
Bastarda. Mit dem erwachenden Nationalbewußtsein des
deutschen Bürgertums am Ende des fünfzehnten Jahrhun¬
derts und zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts er¬
fuhren die deutsche Sprache und die überlieferten Schrif¬
ten der deutschen Sprache, die gotische Kurrent und die
Bastarda, eine wachsende Wertschätzung, während die
Textur, die Schrift der lateinischen Texte, als Folge des
Kampfes gegen die päpstlich-römische Ausbeutung zurück¬
gedrängt wurde. Hutte NS nachstehende Verse beleuch¬
ten die Situation auf dem Gebiet der Sprache:
«Latein ich vor geschrieben hab,
Das war eim jeden nit bekannt.
Jetzt schrei ich an das Vaterland,
Teutsch Nation in ihrer Sprach.»18
Noch vor Luthers Bibelübersetzung erschienen acht¬
zehn Bibelausgaben in deutscher Sprache, vorwiegend in
den neuen runden Typen. Bereits zu Gutenberg s Zeiten
näherte man sich mit der Catholicon- und Durandus-
Type der Antiqua. Während also für lateinische Bibel¬
drucke die gotische und die rundgotische Schrift bleiben,
wetteifern mit ihnen im Deutschland der Reformation eine
Reihe Zwischenformen beim Übergang zur Antiqua: die
Schwabacher, die oberrheinische Schrift, die Fraktur,
Bastardschriften, Mischschriften, die Gotico-Antiqua, die
Antiqua und die Kursiv. Die Formen dieser Typen findet
man vorgebildet in den außerordentlich vielfältigen und
ideenreichen Handschriften jener Zeit.
Die soziale und religiöse Bewegung in Deutschland zu
Beginn des sechzehnten Jahrhunderts ist kaum denkbar
ohne die Flut von Druckschriften, Flugblättern und Bilder¬
drucken. Die frühen Flugschriften dieser Art sind im Block¬
druck hergestellt, das heißt, die vorgeschriebene Hand¬
schrift wurde spiegelverkehrt in Holz geschnitten und ab¬
gedruckt. Da die humanistische Minuskel im Volke kaum
18 Hütten, Ulrich von: Clag und vormanung. 1520. Nach: Schot-
tenloher, Karl : Flugblatt und Zeitung. Berlin 1922.
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Abbildung 163 Handschrift des Erasmus
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Abbildung 164 Handschrift von Pirckheimer
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Abbildung 16$ Handschrift von Zwingli
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Abbildung 166 Handschrift von Flacius lllyricus
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Abbildung 167 Handschrift von Torquato Tasso
'Prœlia, debellatum Orbemrexer e monarch
Piorna caput^ fuit Mundi7priùs exigumg
Quampaflorum habitabat 7 er errans exul
Abbildung 168 Kursivtype eines unbekannten Druckers
Suàantis rara fuh
Vraudatus Sterols operam plorabit m
Abbildung 169 Kursivtype von Froschauer
Vergleiche die Abbildung auf Seite 136
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