Abbildung 75 Ornamentierte Kapitale
derem Schmuck verziert. Entsprechend der allgemeinen
Besinnung auf das klassische Erbe wurden antike Mäander-,
Rosetten-und Palmettenmotive wiedereingeführt und teil¬
weise mit der insularen Flechtornamentik verbunden.
Zum Schluß des Kapitels bleibt übrig, die eigenartige
Urkundenschrift oder Diplomatenminuskel zu besprechen. In
entschiedenem Gegensatz zur allgemeinen Schrift hielten
die Schreiber der königlichen, kaiserlichen und päpstlichen
Kanzleien an veralteten Buchstabenformen fest und zogen
diese, wohl um repräsentativ zu wirken, übermäßig in die
Höhe. Man gewinnt den Eindruck einer mystifizierenden,
dekorativen, verschnörkelten Geheimschrift, als wollten
die Schreiber den Text eher verhüllen als klar machen.
Während also Karl der Grosse die Schriftreform im
ganzen Frankenreich durchfuhrt, wird in der kaiserlichen
Kanzlei selbst die veraltete merowingische Urkundenschrift
weiter geschrieben und in den Königsurkunden bis ins
zwölfte Jahrhundert beibehalten. Eine ähnliche konserva¬
tive Tendenz zeigt die päpstliche Kurialschrift. Während in
den Klöstern Europas die neue, karolingische Schrift mit
Abbildung y6 Urkundenschrift
großem Erfolg eingeführt und gepflegt wird, schreibt man
im päpstlichen Kanzleibüro noch im zwölften Jahrhundert
die viel schwerer lesbare Kurialschrift. Und als man bereits
überall das Pergament als Beschreibstoff benützte, hielt
der Vatikan am Papyrus fest, bis dessen Herstellung in
Ägypten und Sizilien eingestellt wurde. Der Heilige Stuhl
verschloß also vor dem Fortschritt in der Schriftentwick¬
lung ebenso die Augen wie später vor den Erkenntnissen
der Wissenschaft, vor Kopernikus und Galilei. Die Kaiser¬
kanzlei- und die Kurialschrift können nur erklärt werden
aus einer konservativen Tendenz der herrschenden Kreise,
die am Überlieferten, Gesicherten festhielten, während die
Entwicklung der Produktivkräfte ein schnelleres Schreiben
und leichtes Lesen der Schrift fordert.
So muten die übersteilen Gitterschriften der kaiserlichen
Kanzlei wie eine vorweggenommene Parodie auf die eben
erst beginnende Gotik an. Es ist aber unwahrscheinlich,
daß sie den Prozeß beeinflussen, der in der Schriftform im
zwölften Jahrhundert beginnt und im dreizehnten Jahr¬
hundert deutlich in Erscheinung tritt.
Abbildung 77 Urkundenschrift
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