Heimatbücher wird sie in Deutschland noch eingesetzt.
Doch als Auszeichnungsschriften und belebende Akzente
werden die gebrochenen Schriften in vielen Ländern, vor
allem in England und den USA, gerne angewandt.
Die Antiqua-Kursiv (Italika)
Die erste Antiqua-Druckkursiv entwickelte Francesco
da Bologna für den venezianischen Drucker Aldus
Manutius. Mit ihr wurden die billigen Klassikereditionen
gedruckt, die seit 1501 (als Aldinen bekannt) auf Anregung
humanistischer Gelehrter herausgegeben wurden. Nach¬
weisbar ist diese erste Druckkursiv oder Italika, wie sie fast
überall genannt wird, eine Nachahmung der damals in
Rom geläufigen Cancellaresca. Dieser Zusammenhang mit
der Handschrift wurde während ihrer gesamten Entwick¬
lung immer wieder erneuert. Als Ausgangsform für die
weitere Vervollkommnung der Kursiv diente wahrschein¬
lich die Type im Schreibbuch des Ludovico degli Ar¬
righi, der auch Lodovico Vicentino genannt wurde
und als römischer Schreiber tätig war; sie wurde seit 1524
als Texttype für verschiedene Bücher eingesetzt.
Ihre eigentliche Funktion als Auszeichnungsschrift er¬
hielt die Kursiv wenige Jahrzehnte später in Frankreich,
nachdem Garamond seine Antiquaschriften mit einer
dazu passenden Kursiv ergänzt hatte. Bereits in ihren ersten
Schriften hatte die Kursiv einen schmaleren Lauf als die
Antiqua. Die engere Zeichnung und das lebendigere Bild
sind für die Kursiv wichtiger als die leichte Neigung, die
etwa zwischen 7° und 120 von der Senkrechten abweicht.
Die erste Kursiv des Vicentino und die ihr entsprechen¬
de, von Alfred Fairbank nachgezeichnete Bembo Con¬
densed Italic sind sogar fast senkrecht. Durch den engen
Laufund die Neigung erhalten natürlich viele Buchstaben
ein verändertes Aussehen. Das e der Kursiv hat zumindest
bei allen Schriften im Renaissance-Typus keinen waag¬
rechten Querstrich, das a ist einstöckig und das g wiederum
sollte der Zeichnung des a entsprechen. Die Unterlängen
sind bewegter und haben gelegentlich leicht angedeutete
kalligrafische Schwünge. Manche Kursivschriften haben zu
den gewöhnlichen Versahen noch Zierbuchstaben, die -
nach Belieben bei Überschriften und Akzidenzen ange¬
wendet - einer Drucksache eine heitere und verbindliche
Note geben können. Dadurch rückt die Antiqua-Kursiv
gelegentlich in die Nähe der Schreibschriften und schafft
wieder Bezüge zur Handschrift. Die zur Antiqua gehörige
Kursiv wirkt wie das weibliche Prinzip neben dem männ¬
lichen; weich, anmutig, heiter stehen ihre Figuren neben
den klaren, ernsten und aufrechten der Antiqua.
Natürlich gibt es auch unterschiedliche Qualitäten bei
der Kursiv. Nicht alle Schriften haben eine echte Kursiv,
manchmal wurden nur die Antiquabuchstaben schräg ge¬
stellt. Zur Grotesk paßt die Kursiv eigentlich stilistisch
nicht ganz. Aber wir haben uns an kursive Groteskschriften
gewöhnt, und schließlich brauchen wir eine Auszeichnungs¬
variante auch bei der Grotesk. Die Striche der Kursiv sind
im Durchschnitt etwa ein Zehntel dünner als bei der Ge¬
radestehenden. Dies ist zum einen begründet durch den
engeren Lauf und die dichtere Strichfolge, zum andern
sind die leicht diagonalen Abstriche länger als die senk¬
rechten Abstriche der Antiqua, und zum dritten hebt sich
die etwas leichtere Kursiv in reizvoller Weise von der
Grauwirkung der Antiqua ab.
Kapitälchen
Kapitälchen sind Versalien in der Größe der x-Höhe der
Kleinbuchstaben, also verkleinerte Großbuchstaben, die
sich in der Strichstärke und im Grauwert den Gemeinen
anpassen. Sie stellen nach der Kursiv die wichtigste Aus¬
zeichnungsmöglichkeit dar und sollten bei keiner Antiqua-
Werkschrift fehlen.
Kapitälchen können selbstverständlich nur für sehr kur¬
ze Texte, am besten nur für wenige Wörter, verwendet
werden. In einem Buch werden sie vor allem für Personen¬
namen oder für Literaturangaben eingesetzt. Wenn
Wörter am Satzanfang oder bei Substantiven mit einem
Versal begonnen werden, muß auch beim Kapitälchensatz
ein Versal stehen. Gegenwärtig besteht beim Werksatz
kaum noch die Zeit, die Kapitälchen auszugleichen, das
heißt, die manchmal unterschiedlichen Buchstaben¬
abstände zu harmonisieren. Kapitälchen sollten deshalb
bereits beim Guß eine sorgfältig berechnete Weite erhalten,
sie wirken aber, selbst wenn sie kleine Unstimmigkeiten
in den Buchstabenabständen aufweisen, immer noch als
bereichernde und schöne Auszeichnungsvariante.
Halbfette und fette Schriften
Große Schriftfamilien, wie die Univers, haben halbfette,
fette, extrafette, schmalhalbfette, schmalfette, breithalb¬
fette und breitfette Familienangehörige. Anhänger einer
gesunden Lebensweise mögen bei solchen Übergewichtigen
den Kopf schütteln, und frühere Jahrhunderte kannten
diesen Drang nach fetten Schriften noch nicht. Erst der
Industriekapitalismus und die mit ihm einhergehende
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Abbildung 464 Abstufungen der Univers-Familie
326
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I Garamond-Antiqua.
Stempel. 48-p-Grad
a Garaldus. Nebiolo.
48-p-Grad
3 Garamond-Antiqua.
American Typefounders.
60-p-Grad
4 Janson-Linotype-Antiqua.
Stempel. 10-p-Grad
5 Caslon. Haas'sehe
Schriftgießerei. 28-p-Grad
6 Caslon-Antiqua.
Stempel. 24-p-Grad
7 Baskerville-Antiqua.
Stempel. 24-p-Grad
8 Bodoni-Antiqua. Typoart.
28-p-Grad
9 Weiß-Antiqua.
Bauersche Gießerei. 36-p-Grad
10 Tschörtner-Antiqua.
Typoart. 28-p-Grad
II Palatino.
Stempel. 48-p-Grad
12 Optima.
Stempel. 48-p-Grad
Abbildung 465 Probleme der Schriftlinie. Die Zusammenstellung verschiedener Schriftarten und unterschiedlicher
Schriftgrößen - hier auf eine einheitliche Größe gebracht - beweist die Nachteile der sogenannten Normalschriftlinie, durch
welche die Unterlängen der g zusammengedrückt werden.
Reklame benötigten auffallende Schriften, und zur Gro¬
tesk, zur Egyptienne, zur klassizistischen Antiqua und bei
Pinselschriften kennen wir passende und geschmackvolle
fette Schriften, aber zu den klassischen Schriften, etwa zur
Garamond und zur Baskerville, wollen sie nicht passen und
sind lediglich spätere Zutat.
Allerdings kann eine Werkschrift heute nicht mehr ohne
halbfette Variante auskommen, denn wenn sie diese nicht
besitzt, ist die Schrift für viele technische oder wissen¬
schaftliche Werke nicht einsatzfähig. Die halbfetten Buch¬
schriften sollten im Durchschnitt die eineinhalbfache
Strichdicke der Normalschrift haben, im Buch also nur
eben noch als halbfette Variante deutlich erkennbar sein,
aber nicht herausknallen und die Ruhe der Seite unnötig
stören. Bei Zeitungsschriften und Schriften für die Zeit¬
schrift, die möglicherweise mit nicht gleichmäßiger Farb¬
gebung und auf holzhaltigem Papier gedruckt werden,
können die halbfetten Auszeichnungsschriften fetter sein
und etwa einer sogenannten dreiviertelfetten Variante ent¬
sprechen.
Am besten ist es natürlich, wenn eine Schriftfamilie über
verschieden fette Auszeichnungen und darüber hinaus
über schmale und fette Varianten verfugt. Ein Beispiel für
eine gute Abstufung unterschiedlicher Fetten ist die bereits
erwähnte Univers-Familie der französischen Schriftgießerei
Deberny & Peignot.
Die Schriftlinie
Wenn in einer Antiquazeile Wörter in kursiver oder halb¬
fetter Auszeichnung stehen, dann müssen die verschiede¬
nen Garnituren unbedingt eine einheitliche Grundlinie und
eine einheitliche x-Höhe besitzen. Bereits im Jahre 1892
wurde von der Inland Foundry in St. Louis (USA) eine ein¬
heitliche Standardlinie für alle neuen Schriften festgelegt.
Es konnten nicht nur alle Schriften eines Grades ohne
Schwierigkeiten nebeneinander versetzt werden, durch
planvolle Sprünge von jeweils einem ganzen Punkt konn¬
ten durch Unterlegen von Normaldurchschuß alle Schrift¬
grade satztechnisch leicht nebeneinandergestellt werden.
In Deutschland wurde diese Neuerung mit Interesse be¬
obachtet, denn zur damals in Deutschland verwendeten
Fraktur als Grundschrift war die Antiqua zur Auszeichnung
notwendig, und Schriftmischungen waren deshalb häufiger
notwendig als in anderen Ländern. Bei der Festlegung der
Deutschen Normalschriftlinie richteten sich die verant¬
wortlichen Experten nach den grafischen Eigenarten der
Fraktur, bei der die Unterlängen kleiner sind als bei der
Antiqua, und deshalb ist diese Schriftlinie für die Antiqua-
Unterlängen nicht passend. Die Sprünge der Normal¬
schriftlinie betrugen bei den kleinen Graden У„ p und bei
den großen Graden über 12 p jeweils einen vollen Punkt.
Dabei wurde die Schriftlinie so festgelegt, daß auch eine
neben die Schrift gelegte stumpffeine oder punktierte
Linie durch Unterlegen von normalem Durchschuß sofort
paßte, eine Eigenart, die für den Formularsatz von Vorteil
war.
Heute, nachdem auch Deutschland zum Antiquasatz
übergegangen ist und wo Formulare kaum noch mit Linien
gesetzt werden, verlieren die ehemaligen Vorteile dieser
Regelung ihre Bedeutung, und es bleiben beträchtliche
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