Abbildung 45y Pinselschrift von Villu Toots
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Abbildung 458 Kalligrafie von José Mendoza y Almeida
einem schnell wachsenden Niveau der Schriftkunst spre¬
chen. Leider waren einige Traditionen des Schreibens seit
der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts in Vergessenheit
geraten. Solomon Telingater zeigte mir herrliche
russische Azbuka-Bücher russischer Schreibmeister, die ihn
zur Erneuerung dieser russischen Kalligrafie anregten. Er
und Wadim Lazurski bewiesen an vielen Beispielen, daß
die Kyrillika ebenso gut zu schreiben ist wie die lateinische
Schrift. Von beiden Künstlern wurden auch Druckschriften
gefertigt, deren Entwürfe durch das Schreiben mit der
Breitfeder entstanden. Die jährlichen Moskauer Schrift¬
kunst-Ausstellungen zeigten eine immer größere Beteili¬
gung auch der jungen Generation.
Ähnliche Bemühungen in erstaunlich hoher Qualität
gibt es in Sofia, wo Wassil Jontschev und seine Frau
Olga Jontscheva und andere Vertreter des bulgari¬
schen Künstlerverbandes an die alten Traditionen der bul¬
garischen Schreiber anknüpfen. Wassil Jontschevs
Buch «Schrift durch die Jahrhunderte» bringt Beispiele
historischer und moderner Schriften, die nicht nur die
Qualität, sondern auch die Breite der Bewegung für eine
gute Kalligrafie beweisen.
Die genannten Beispiele zeigen jedenfalls eindeutig, daß
die Pflege der Handschrift, die bei Morris noch archaisie¬
rende Züge aufwies, gelegentlich später als unmodern ver¬
spottet wurde, heute in der ganzen Welt als ein wichtiges
Anliegen anerkannt wird.
Mit gutem Grund wurde von allen bedeutenden Kalli¬
grafen und Schriftkünstlern auf die enge Beziehung zur
Handschrift hingewiesen. In allen Blütezeiten der Schrift¬
kultur war eine hohe Qualität der allgemeinen Handschrift
einbezogen. Auch Handschriften, die ohne künstlerische
Absicht entstanden sind, können künstlerisch wertvoll sein,
und Beispiele für künstlerische Handschriften finden wir
nicht nur in der Renaissance, sondern ebenso in der Gegen¬
wart. In der Geschichte der Druckschriften wurden immer
wieder Handschriften kopiert, weil diese einem veränder¬
ten Ausdruck eher entsprachen, weil sie vielen, denen diese
Handschriften geläufig waren, als die gemäße Schrift er¬
schienen. In der Gegenwart sind zwar die sogenannten
Schreibschriften oder Druckskripten meist für Reklame-
zwecke gedacht, aber wir begegnen auch einigen guten
Druckskriptcn.diedircktausHandschriftenentstandensind.
Wichtiger ist jedoch eine immer stärkere Angleichung
der Buchstaben der allgemeinen Handschrift an die Grund¬
formen der Druckschrift, an die Grafeme. Diese Verände¬
rung geschieht auch unabhängig von der Schriftreform. In
vielen Handschriften werden statt der komplizierten Ma¬
juskeln der früheren Schulschrift Großbuchstaben der Gro¬
tesk verwendet und durch das schnelle Schreiben zu einer
gewissen Verbindungsfähigkeit umgeformt.
Eine weitere Besonderheit der kollektiven Handschrift
ist eine Angleichung der großen an die kleinen Buchstaben.
Die Großbuchstaben werden kleiner geschrieben, die Kiem¬
buchstaben haben an Bedeutung gewonnen. Dieser Prozeß
fördert die Lesbarkeit.
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Vergleiche die Abbildung auf Seite 239
Dem Streben nach besserer Lesbarkeit entspricht auch
ein relatives Kleinerwerden der Ober- und Unterlängen
und ein relatives und absolutes Anwachsen der Mittel¬
höhen, der x-Höhen. Anscheinend betrachten es viele
Schreiber als Zeitverschwendung, über das durch Unter¬
scheidbarkeit bedingte Maß der Ober- und Unterlängen
hinauszugehen. Es entspricht dagegen dem Wunsch nach
schnellem Schreiben, wenn die Mittelhöhen größer ge¬
halten werden, weil dadurch die Hand in ihrer natürlichen
Auf-ab-auf-Bewegung nicht zu frühzeitig gebremst wird
und frei auslaufen kann. Es gilt als Kennzeichen einer guten
Handschrift, wenn neben der zügigen Auf-ab-auf-Bewe¬
gung zügigere Verbindungen, insbesondere der Schulter¬
höhen, gefunden werden.
Die gegenwärtig in vielen Ländern sich vollziehende
Schreibreform entspricht diesen spontanen Veränderun¬
gen. Die Ausgangsform der italienischen humanistischen
Kursiv ist also wesentlich moderner als die Schulausgangs¬
schrift der Großväter oder die charakterlose sogenannte
Normalschrift. Für Kinder und auch für die Millionen
nichtlesekundigen Erwachsenen in den Entwicklungslän¬
dern sind folgende Kriterien für eine gute Ausgangsschrift
notwendig:
1. Gute Lesbarkeit der Einzelformen. Betonung der gra-
fematischen Besonderheiten.
1. Gute Verbindungsfähigkeit der Buchstaben zu Wortbü-
dern. Die Verbindungsstriche dürfen jedoch die Grund¬
formen nicht undeutlich werden lassen. Schräglage und
Rhythmik müssen den motorischen Möglichkeiten auch
des Kindes angepaßt sein.
3. Die Ausgangsschrift muß eine gute Basis für das ge¬
läufige Schreiben bilden und die durch Charakter,
Temperament und Bildung des Schreibers in allen
Altersstufen bedingten Modulationen zulassen.
Das beste Schreibinstrument ist zweifellos ein Füllfeder¬
halter mit Breitfeder, denn durch die Breitfeder sind die
lateinischen Buchstaben geformt worden; sie verhindert,
daß die Buchstaben teigig werden und sich verformen. In
vielen Fällen wird jedoch auch ein anderes Schreibinstru¬
ment, ein Kugelschreiber oder ein Stift, benützt werden
müssen, doch dies darfeiner guten Schrift nicht zum Scha¬
den sein.
Die Handschrift bildet die Basis, auf der allein Spitzen¬
leistungen der Schriftkunst erwachsen können, und eine
ständige und vielseitige Kommunikation zwischen Basis
und Gipfel, ein ständiges Geben und Nehmen hält die
Schrift lebendig und wird ihre ständige Weiterentwicklung
und die fortwährende Veränderung ihrer Formen be¬
dingen und sichern.
Grundsätzlich wird es bei jeder Handschrift positiv be¬
urteilt, wenn dieBuchstaben untereinanderverbunden wer¬
den, aber es ist nicht nötig, dieses Prinzip grundsätzlich und
immer anzuwenden. Die weiterschreibende Hand rückt
ohnehin auf dem Papier immer wieder nach rechts, und
der dadurch unterbrochene Schreibfluß braucht nicht im
alten Strich weitergeführt zu werden. Wenn verschiedene
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dies also dem natürlichen Schreiben nur entgegen.
mus, das Gleichmaß der Druckstellen, der ähnliche Ab¬
stand zwischen den Abstrichen und ein entsprechendes
Volumen der runden Figuren. Den lernenden Kindern
muß das Schreiben zum eurhythmischen Erlebnis werden,
bei dem sich ein natürlicher Formendrang in eine diszipli¬
nierte Bewegung fügt. Das Schreiben muß Spaß machen, es
muß zum Lusterlebnis werden und möglichst auch zum
kleinen Erfolgserlebnis. Der pädagogische Schreibeinfluß
sollte beim älteren Kind das Schreiben in eine Art kultu¬
relle Selbstbetätigung einmünden lassen, bei der das Be¬
trachten schöner historischer und gegenwärtiger Schriften
die Freude an einer stetigen Verbesserung der eigenen
Schrift wecken muß.
Schildchens, einer Wandzeitung oder einer Gedicht-Dop¬
pelseite zeigt den Schülern die Bedeutung der Randpro¬
portionen, des Zeilenabstandes und der Verteilung des
Hell-Dunkel; und dies alles stets im Zusammenhang mit
der eigenen Schrift. Gewiß, hier entsteht noch keine Kalli¬
grafie, und es wird gar nicht erwartet, daß die Kinder zu
Schriftkünstlern werden, aber diese jungen Menschen wer¬
den vielleicht zu Kennern, ihre Freude an guten Druck¬
schriften, an gut gestalteten Büchern wird geweckt. Die
Schrift- und Buchkunst fände damit das gegenwärtig oft
noch vermißte Echo.