Abbildung 358 Kalligrafische Signete von Tiemann
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Abbildung 359 Lapidarschrift von E.R.Weiß
Abbildung 360 Verlagsçeichen von E.R.Weiß
Abbildung 361 Zentenar-Initialen von Ernst Schneidler
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АШ/Лшу jój Legende von Ernst Schneidler
genauso, wie jede Generation den alten Homer immer wie¬
der übersetzt, - daß diese Schriften also .modern' sind, um
dieses Wort zu gebrauchen, das so viel mißbraucht wird,
besonders für Dinge, die morgen schon nicht mehr .mo¬
dern' sind, - daß diese neuen Schriften also jedem Druck¬
werk, welches es auch sei, ob es sich in seiner Gestalt an alte
Vorbilder anschließt oder ob es eine durchaus neue Form
sucht, gleich gut dienen können.»30
War Weiss ein Vollender der Gedanken Edward
Johnstons, der es unternommen hatte, die Kunst des
Schreibens den alten Meistern abzuschauen und wiederzu-
erwecken, so fand S с н nei d ler neue Wege des Schreibens.
Ernst Schneidler (1882 bis 1955) studierte Architektur
und lernte später bei В ehren s und Ehmcke im Sinne von
Johnston. 1920 übernahm er die grafische Abteilung an
der Stuttgarter Akademie. Während die anderen Schrift¬
künstler sich im allgemeinen auf einige bestimmte Zeit¬
perioden der alten Schriften beschränkten oder sich in einer
bestimmten Richtung festlegten, betrachtete Schneid-
ler es als seine Hauptaufgabe, nie stehenzubleiben, jeder
Form ihre Eigenart abzulauschen und seine Schüler zu im¬
mer neuen Versuchen anzuspornen. Alles Grundsätzliche,
das immer schon einmal dagewesen sei, in neuartiger,
ebenso guter Form wiedererstehen zu lassen ist seine künst¬
lerische und pädagogische Richtschnur. So äußerte er ge¬
legentlich: «Einfacher organisieren, sachlicher erfinden,
eine anmutige Strenge entfalten!» Sein Formenschatz ist
unerschöpflich, weil er der Quelle des Handschriftlichen
entspringt. Bereits in seinen früheren Schriften äußerte sich
das Bestreben des Meisters, Neuland zu erforschen. Seine
besten Schöpfungen sind die Schneidler-Mcdiäval, die Zen-
tenar-Fraklur und die Schreibschrift Legende.
Der Einfluß des Weimarer und später Dessauer Bau¬
hauses auf die deutsche Schriftkunst wird häufig über¬
schätzt. Obwohl auch bei seiner Entstehung die Einflüsse
der englischen Erneucrungsbewegung nicht übersehen
werden dürfen, man denke nur an die Rolle von van de
Velde, entwickelte sich das Bauhaus durch seine starke
Betonung des Technischen mehr zu einer Gegenbewegung,
die starken Einfluß auf Architektur, Umweltgestaltung und
technische Formgebung hatte, auch für die Typografie, be¬
sonders die Wcrbetypografie Impulse brachte, im Schrift¬
schaffen jedoch durch die Unterschätzung der traditions¬
gebundenen Leseform nahezu unfruchtbar blieb. Die Typo¬
grafen des Bauhauses bevorzugten die neutrale Venus- und
Akzidenz-Grotesk. Zur Kennzeichnung der geistigen Situ¬
ation am Bauhaus möchte ich auszugsweise einen Aufsatz
von Josef Albers wiederholen: «Wir können nicht mehr
klassisch sein. Zeit ist Geld. Weil wir wirtschaftlich denken
müssen, werden wir immer mehr amerikanisieren. Wir
entfernen uns vom Buch. Damit von der Schriftform des
Buches. Die meisten Druck-Erzeugnisse sind nicht mehr
Bücher. Dennoch herrscht in nicht buchmäßigen Druck-
Erzeugnissen fälschlich die Buchschrift- und Buchsatzform.
39 Weiss, E.R.: Vorwort der Schriftprobe «Wein-Schriften im schö¬
nen Buch». Frankfurt/Main, um 1930.
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Vergleiche die Abbildungen auf den Seiten 222 und 223
Gilt die ausgeglichene Zeile als richtig, muß die Schreib¬
maschine unrichtig schreiben. Mit rationalen Zeiten kom¬
men konstruktive Betonungen.»40
Auch die Argumente von Herbert Bayer zu einer
neuen Schrift vereinfachen die Aufgaben der Schrift doch
wohl zu sehr: «Die Typisierung der Buchstabenelemente
auf Quadrat, Kreis und Dreieck verringert das Setzmate¬
rial.» Die entsprechenden Zeichnungen konnten nie in die
Produktion übernommen werden.
Es stimmt auch nicht, wenn die Futura-Grotesk von Paul
Renner auf Einflüsse des Bauhauses zurückgeführt wird.
Der Maler Paul Renner hatte im Gegenteil die Absicht,
eine Endstrichlose im Sinne der Schrifttradition zu schaf¬
fen. Er nahm sich für seine Versalien die Proportionen der
römischen Inschriften zum Vorbild, und auch die Klein¬
buchstaben sind keinesfalls nur mit Zirkel und Lineal
konstruiert, sondern optisch mit feinem Gefühl durchge¬
arbeitet. Zum großen Erfolg der Futura haben allerdings
auch die Anhänger der Bauhaustypografie oder der Ele¬
mentaren Typografie beigetragen, die Renners Schrift
mit Vorliebe verwendeten.
In den Jahren des Faschismus blieb leider auch die Schrift
nicht von verderblichen Einflüssen verschont. In der Zeit
ihrer Agitation um die kleinbürgerlichen Wählerstimmen
machten sich die Faschisten zu Fürsprechern der Fraktur und
Gotisch, die sie als «arteigene deutsche» Schriften bezeich¬
neten, während die Antiqua als glatt und fremdländisch
abgetan wurde. Viele deutsche Schriftkünstler wurden
nach der Machtergreifung gemaßregelt oder lücht mehr
beachtet. Lediglich die Fraktur- und die gotischen Schrif¬
ten von Rudolf Koch erlangten Beliebtheit. Daneben
aber züchtete man eine neue Form der Gotisch, bei der mit
militärischem Stumpfsinn die Figuren gleichgeschaltet
wurden, daß so mechanische, abstoßende Formen wie die
Tannenberg, Element, National, Gotenburg u. a. entstanden. -
Wieder war es soweit, daß der Mangel an Interesse für die
Volksbildung einen Zerfall der Schrift zur Folge hatte. Im
Angesicht der Scheiterhaufen, auf denen die humanistische
Literatur von den faschistischen Kulturbarbaren verbrannt
wurde, versiegte die Schöpferkraft der Schriftkünstler.
Nachdem sich fast alle Zeitungen auf Fraktur umgestellt
hatten und viele Druckereien nur noch Neuanschaffungen
in gebrochenen Schriften machten, erschien am 23.1.1941
der Erlaß des faschistischen «Reichsschatzmeisters», nach
dem künftig alle Druck-Erzeugnisse des Staates in Normal¬
schrift (Antiqua) zu erscheinen hätten. Als Begründung
wurde angeführt, daß «die sogenannte gotische Schrift
(Fraktur)» keine deutsche Schrift sei, sondern «auf die
Schwabacher Judenlettern» zurückzuführen wäre. Waren
Dummheit oder Rassenhaß die Beweggründe dieser Be¬
stimmung? Die wichtigste Ursache, das nationale Mäntel¬
chen in der Schriftpolitik abzuwerfen, war, die militäri-
schenBefehle des entfesseltendeutschenlmperialismus,der
zu dieser Zeit halb Europa unterjocht hatte, den unter-
40 Aluers, Josef: Zur Ökonomie der Schriftform. In: Offset-, Buch-
und Werbekunst. 1926. Heft 6 (Bauhausheft).
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Abbildung 363 Schablonenschrift von Josef Albers
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Abbildung 364 Grotesk von Herbert Bayer
drückten Völkern lesbar zu machen. Auf die Argumente,
die für und gegen die Verwendung der Fraktur sprechen,
soll später eingegangen werden.
Nach dem zweiten Weltkrieg hatten die Schriftgießereien
der beiden deutschen Staaten einen starken Nachhole¬
bedarf zu befriedigen. Die besten und erfolgreichsten
Schriftentwerfer der Nachkriegsperiode sind Georg
Trump und Hermann Zapf. Georg Trump, ein Schüler
von Ernst Schneid ler, leitete lange Zeit die Münchner
Meisterschule für Deutschlands Buchdrucker und entwarf
eine ganze Reihe guter Schriften für die Schriftgießerei
C.E.Weber in Stuttgart. Seine Trump-Mediäval, die 1954 er¬
schien und auch von der Linotype übernommen wurde, ist
eine sehr schöne Buchschrift mit guten Lesequalitäten. Die
beiden kalligrafischen Schriften Codex und Delphin bergen
eine Fülle neuer Formen, die gleichzeitig eine hervor¬
ragende Kenntnis der Schriftgeschichte erkennen lassen.
Auch die Schadow, eine moderne Egyptienne in vielen Va¬
riationen, ist eine bemerkenswerte Schrift, die gerne und
vielseitig eingesetzt wird.
Hermann Zapf, Schreiber und Typograf, zeichnete be¬
reits mit zweiundzwanzig Jahren seine erste typografische
Schrift, die Gilgengart-Fraklur, und nach dem zweiten Welt¬
krieg erschienen von seiner Hand bei der D. Stempel AG.
Vergleiche die Abbildungen auf den Seiten 226, 227, 232, 233, 236 und 237
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