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ZUR SCHELTER-ANTIQUA
|ohl Òie wenigsten Vertreter unserer gesamten
typographischen Fachwelt haben je einen so
tiefen Einblick in òie Arbeitsvorgänge einer
Schriftgießerei getan, um sich eine Vorstellung
òavon zu machen, unter welch’ großem Auf¬
wand an Zeit, Mühe unò Schaffenskraft unò
nicht minder auch an Kosten eine neue Schrift
ihrer Vollendung entgegenreift. Dieser Aufwand an Arbeit und
Kosten nimmt aber dann ganz besonders an Umfang zu, wenn
es sich darum handelt, eine Buchschrift zu schaffen, die nicht dazu
bestimmt ist, der augenblicklich herrschenden Mode Rechnung
zu tragen, sondern die auf lange Jahre hinaus ihrem Zwecke
dienstbar gemacht werden soll. Zwischen der aufkeimenden Idee,
das heißt des in der Vorstellung sich zunächst in nebelhaften Um¬
rissen darstellenden Schriftgebildes Und der fertigen Schöpfung,
zwischen dem Wollen und Vollbringen, liegen oft Jahre der aus¬
gedehntesten und mühevollsten Versuche, die nur derjenige auf
ihren wirklichen Wert einzuschätzen vermag, der eine solche
Arbeit unter seinen Augen mit hat entstehen sehen.
Wir stehen jetzt wieder am Abschluß einer solchen mühe¬
vollen Arbeit, deren Früchte wir in diesem Hefte der Fach¬
welt vor Augen führen. Mit unserer „Scheiter Antiqua“, die wir
so zu Ehren des Mitbegründers der Firma: „Johann Andreas
Gottfried Scheiter“ benennen, übergeben wir der Öffentlichkeit
eine neue Schriftfamilie, deren Grundtype, die Buchschrift, von
uns durch Zuschnitt einer Kursiv, einer halbfetten, einer breiten,
einer breiten halbfetten und einer schmalen halbfetten Schrift er¬
weitert und ergänzt wurde. Wir bieten hiermit dem Fachmann
wiederum eine geschlossene Schriftserie, die ihm gestattet, seine
Drudearbeiten in einheitlicher stilgerechter Weise durchzuführen,
Initial aus Serie 597
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wie wir auch schon bei den vorausgegangenen, unter den Kenn¬
worten „Romanisch“, „Schulfraktur“, „Rundgotisch“, „Habsburg“
und „Wittelsbach“ allseitig bekannten Schriftserien in gleicher
Weise Material zu bieten vermochten, das zu unserer Genug¬
tuung mit großer Anerkennung aufgenommen wurde.
Die Scheiter-Antiqua, die in ihren verschiedenen Verbreite¬
rungen, Verdickungen und Schrägformen einen Schatz von etwa
siebzig verschiedenen Schriftgrößen darstellt, bedeutet unseres
Erachtens einen Fortschritt auf dem Wege, das eine Zeitlang ver¬
loren gegangene Verständnis für die Betrachtung jedes einzelnen
Schriftzeichens als konstruktives Ganzes wieder zu gewinnen.
Sie dürfte aber auch durch ihre kräftige Zeichnung berufen sein,
dem durch frühere verfehlte Verfeinerung im Schriftschnitt seither
viel gemarterten Auge des Lesers ersehnte Erholung zu bieten.
Verfolgten wir in unserer „Anker-Romanisch“ das Bestreben,
zwischen den Haar- und Grundstrichen einen Ausgleich herbei¬
zuführen und dem Gerüst des Einzelbuchstabens einen festen
und sicheren Halt zu geben, so sind wir in diesen Ausgleichungs¬
bestrebungen in unserer „Scheiter-Antiqua“ noch einen Schritt
weitergegangen. Die Einzelbuchstaben unserer Schelter-Antiqua
stellen daher leicht erfaßbare, konstruktiv durchgearbeitete und
dem Verschleiß weniger ausgesetzte Bilder dar, deren kräftige
Wirkung wir noch dadurch erhöhten, daß wir die Ausladungen,
d. h. die Füße des Einzelbuchstabens, kurz und kräftig ausbildeten,
oder da, wo sie uns entbehrlich erschienen, oder wo sie der Ver¬
deutlichung des Buchstabenbildes im Wege standen, wegließen.
Was diese Vereinfachung und Verdeutlichung der einzelnen
Schriftbilder im besonderen betrifft, so haben wir unser Bestre¬
ben darauf gerichtet, offene und klare Formen zu schaffen, zu
nahe bei einander liegende Gerüstteile zu vermeiden und somit
nicht nur einer Fleckenbildung im geschlossenen Satzbilde aus
dem Wege zu gehen, sondern auch eine ruhige und gleichmäßige
17292. Mittel Schelter-Antiqua No. 24
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