HERBSTGEDANKEN
* Schon ins Land der Pyramiden
Floh'n die Störche übers Meer;
Schwaibenflug ist längst geschieden,
Auch die Lerche singt nicht mehr.
Seufzend in geheimer Klage
Streift der Wind das letzte Grün;
Und die süßen Sommertage,
Ach, sie sind dahin, dahin!
Nur noch einmal bricht die Sonne
Unaufhaltsam durch den Duft,
Und ein Strahl der alten Wonne
Rieselt über Tal und Kluft.
Und es leuchten Wald und Heide,
Daß man sicher glauben mag,
Hinter allem Winterleide
Lieg’ ein ferner Frühlingstag.
Theodor Storm
DIE DREI KÖNIGE ZU HEIMSEN
Von Graf Eberhard der Rauschebart
*Drei Könige zu Heimsen, wer hätt’ es je gedacht!
Mit Rittern und mit Rossen, in Herrlichkeit und Pracht!
Es sind die hohen Häupter der Schlegelbrüderschaft;
Sich Könige zu nennen, das gibt der Sache Kraft.
Da thronen sie beisammen und halten eifrig Rat,
Bedenken und besprechen gewalt’ge Waffentat:
Wie man den stolzen Greiner mit Kriegsheer überfällt
Und besser als im Bade ihm jeden Schlich verstellt;
Wie man ihn dann verwahret und seine Burgen bricht,
Bis er von allem Zwange die Edeln ledig spricht.
Dann fahre wohl, Landfriede! dann, Lehndienst, gute Nacht!
Dann ist’s der freie Ritter, der alle Welt verlacht.
DIE KREUZFAHRT
Im rebengrünen Neckartal
Da steht mein Väterschloß,
Das jetzt zur Stund’ der Abendstrahl
Wohl goldig übergoß.
Doch ich zieh’ fern im Heidenland,
In Wüstenglut und Sonnenbrand.
Um Palmenwipfel schwanken
Die sehnenden Gedanken.
Jetzt reitet wohl durch Wald und Au,
Im grünen Jagdgewand,
Daheim die allerschönste Frau,
Den Falken in der Hand.
Doch rufet hehr und streng zur Pflicht
Der heil’gen Jungfrau Angesicht,
Herab zu unsern Fahnen,
Zu Kampf und Tod zu mahnen.
Jetzt tönt daheim im Feierklang
Der Abendglocken Lied;
In’s Dorf zurück vom Wiesenhang
Die Herde friedlich zieht.
Mir aber ruft in wilder Reih’,
Der Sarazenen Schlachtgeschrei.
Nicht länger darf ich säumen,
Fahr’ wohl, du süßes Träumen.
Wohlan ihr Schwaben frank und frei,
Jetzt auf mit Schild und Schaft,
Der Heide spüre, was es sei
Um deutsche Ritterschaft
Und fall’ ich hier im Wüstensand,
О grüßet mir mein Heimatland,
Sagt, treu sei ihm geblieben
Mein Heimweh und mein Lieben.
ü. G. Scheiter & Giesecke, Schriftgießerei, Leipzig
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Korpus breite Romanisch No. Ѳ810. * und * mit 1 Punkt durchschossen
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DER QUADERSANDSTEIN
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welche dem Quadersandsteine an vielen Orten eine so eigentümliche
Erscheinungsform gibt. Von jeher für Gebilde angesehen, die mehr
künstlichen als natürlichen Ursachen ihr Entstehen verdanken, hat
man solche merkwürdig gestaltete Quadersandsteine mit dem Namen
von Teufelsmauern bezeichnet, und unter dieser Benennung dürften
die am nördlichen Fuße des Harzgebirges zwischen Gernrode und
Blankenburg sich hinziehenden Quadersandsteine wohl manchem
sehr gut bekannt sein. Nicht minder ausgezeichnet sind die flach ab¬
gestutzten, von dem hohen Schutte ihrer verwitterten Wände am Fuße
umgebenen Kegelberge der sächsischen Schweiz, vor allen der Lilien¬
stein, einer der regelmäßigsten unter ihnen. Wer kennt nicht die
Türme und die Spitzen eben dieses Gebirges in der Umgebung der
Bastei, dem Königstein gegenüber, und bewundert nicht das Ge¬
schick, mit welchem diese mannigfachen Zacken und Felsennadeln
durch künstliche Bogen, Brücken und Altane zu einem harmonischen
Ganzen vereinigt sind! Vielleicht überraschten den Beobachter indes
noch mehr die hohen und schlanken Säulen des Bieler Grundes, mit
den einzelnen schön belaubten Bäumen auf ihrer Spitze und den viel¬
fachen Unterschieden im Durchmesser sowie in der Höhe; lauter
Wirkungen der fortschreitenden Verwitterung vormals zusammen¬
hängender Kegelberge, die dem Lilienstein an Größe und Gestalt
ähnlich waren. Ebenso allgemein bekannt und wegen der nahen Kur¬
orte vielleicht noch mehr berühmt sind die böhmischen Quadersand¬
steine bei Adersbach, wo die Verwitterung stellenweis nicht von oben
nach unten, wie an den sächsischen, allmählich fortgeschritten ist,
sondern unten rascher eingriff und Formen bewirkte, die mit dem
Abenteuerlichsten sich messen können. Große, hundert Fuß hohe
Keulen schweben auf dünnem Fußgestelle senkrecht in der Luft und
drohen jeden Augenblick dem Verwegenen, der etwa ihr Gleich¬
gewicht gewaltsam stören wollte, den Untergang. Und doch kennt
man sie in dieser Gestalt schon seit Jahrhunderten. Aber nicht bloß
das östliche Deutschland, auch das westliche hat seine abenteuer¬
lichen oder auch merkwürdigen Quadersandsteine. Die Westfalen
erzählen gern von ihren berühmten Externsteinen, welche in der
Nähe von Horn gleich Ruinen uralter Riesenbaue in langer Reihe
sich hinziehen. Auf ihren senkrechten Wänden sieht man die Lei¬
densgeschichte des Heilands in kolossalen Darstellungen, die nach
glaubwürdigen Zeugnissen schon im elften Jahrhundert vorhanden
waren. Wie seiner merkwürdigen Umrisse halber der Quadersand¬
stein anziehend ist, so verdient er noch mehr unsere Beachtung und
J. G. Scheiter & Giesecke, SchriftgieBerel, Leipzig Cicero breite Romanisch No. 6811 mit 1 Punkt durchschossen
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