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Gutenberg und Mentel.
geschäftsmässig betrieb, wie er auch als Buchdrucker und Buchhändler
ein reicher Mann geworden ist. Nach einerTradition(s.obenS:78)begab
sich Gutenberg nach der Trennung von Fust nach Strassburg, nach
einer anderen (S. 72) habe sich Mentel sehr darüber gekränkt, dass
ihn Gutenberg verliess und nach Mainz zurückkehrte, das stimmt über¬
ein mit der Lücke, welche in Gutenbergs Wirken in Mainz zwischen
dem Ablassbrief vom Jahre 1455 und dem Katholikon von 1460 liegt.
Es ist wahrscheinlich, dass der verständige Mentel, dem gedruckte
Bibeln zur Ausmalung übergeben wurden, den hohen Werth der Buch¬
druckerkunst erkannte, und dass es ihm durch glänzende Versprechun¬
gen gelang, Gutenberg, der über Fust und die Mainzer erbittert war,
nach Strassburg zu ziehen, wo er ihm eine Druckerei einrichtete. Dass
Mentel selbst die Buchdruckerei erlernte, ist nicht nachzuweisen, er
war jedenfalls ein Buchdrucker wie Fust, d. h. ein Buchdruckerei¬
besitzer. Die Strassburger lateinische Bibel, von welcher Nr. 40 ein
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Nr. 40. Probe von Mentels lateinischer Bibeltype. (Facsimile nach dem Original.)
Facsimile gibt, hat im Charakter der gemeinen Buchstaben grosse
Aehnlichkeit mit den Typen des Ablassbriefes Nr. 30, nur sind sie
grösser, die Versalbuchstaben sind eigenartig, was wohl auch der zum
Abdruck verwendeten Handschrift zuzuschreiben ist; gegenüber den
Mainzer Bibeln bedeutet sie einen Bruch mit der Tradition, denn an
Stelle der Missalbuchstaben trat die gewöhnliche Buchschrift, die Aehn¬
lichkeit mit der Cursivschrift hat. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass
diese Type sich eines grossen Beifalls erfreute, dass man sie für leichter
lesbar als die Missaltype hielt, denn nur daraus lässt sich erklären,
dass Schöffer die Missaltype nicht mehr zu einer neuen Auflage der
Bibel verwendete, sondern dieselbe im Jahre 1462 mit einer kleineren
Buchschrift druckte.
Gutenberg hielt sich jedenfalls nur wenige Jahre in Strassburg
auf, vielleicht war ihm das ewige Bibeldrucken zuwider, er wollte andere
Schöffers neue Drucke.
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nützliche Werke drucken, welche der speculative Mentel nicht für
lucrativ hielt, denn im Jahre 1460 erschien Gutenbergs Katholikon fast
gleichzeitig mit Mentels Bibel.
Schöffer konnten diese Vorgänge nicht unbekannt geblieben
sein, misstrauisch überwachten Fust und er alle Schritte Gutenbergs,
die Angst, von ihm mit neuen Verbesserungen überflügelt zu werden,
liess sie nicht ruhen. Gleichwohl waren die Gehilfen der Druckereien mit
strengen Eiden zur Verschwiegenheit über die Unternehmungen ihrer
Principale verbunden, Schöffer konnte nur erfahren, dass gedruckt
und zwar mit kleineren Typen gedruckt wurde und er suchte seinem
Concurrenten zuvorzukommen. In dieser fieberhaften Aufregung,
welche alle seine Geisteskräfte anspannte, mag ihm der Gedanke
gekommen sein, mit Stahlpunzen Matrizen zu schlagen und so reinere
Lettern zu erzielen. ImJahre 1459 erschien mit diesen Lettern Guillelmi
Durandi Rationale divinorum officiorum, eine Beschreibung der Ursachen
und Bedeutung der Kirchengebräuche, lange Zeit die einzige Regel,
nach welcher die römische Kirche ihre Ritualien einzurichten pflegte,
und daher ein Werk, welches guten Absatz versprach.
Das Rationale ist ein Folioband von 160 Blättern, der Text ist
in zwei Columnen gedruckt, die Seite hat 63 Zeilen. Es existiren zwei
Gattungen von Exemplaren, die eine hat Initialbuchstaben roth und
blau gedruckt, in der anderen schöneren sind sie mit Gold und Purpur¬
farben eingemalt; im ersten Falle haben wir den Stempeldruck wie
beim Psalter, auch im Rationale sind solche Initiale übermalt und
dabei kleine Verzierungen verlöscht worden. Auch hier fehlen Initiale,
z. B. in dem Exemplar der Wiener Hofbibliothek auf der zweiten Seite,
ferner auf Blatt 49, 50, 51, 53, 55. Auch die Rubriken dürften einge¬
stempelt sein, denn die Zeile De oratione seu collectarum steht schief, der
Rothdruck wurde aber in alter Zeit nicht mit zwei Formen, sondern
mit derselben Form gedruckt, in welcher die roth zu druckenden
Buchstaben herausgenommen, der Raum ausgefüllt, und dann beim
Rothdrucken die Buchstaben unterlegt wurden. Bei dem Mangel an
gegossenen Hohlstegen, die der neuesten Zeit angehören, war es auch
nicht anders möglich, eine gleiche Linie zu erzielen. Uebrigens fehlen
auf Blatt 63 Initial wie Rubrik, auf Blatt 64 die Rubrik und bleckt der
Faulmann, Gesch. d. Buchdruckerkunst. 11