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Die 42zeilige Bibel.
Der Satz dieser Bibel zeigt eine gute Uebung in der Setzerkunst,
die Zeilen sind gleiclnnässig ausgeschlossen, nur die Divise ragen
darüber hinaus, zugleich ist der Raum so merkwürdig vertheilt, dass
die Ausgänge nur für die Capitelziffern Raum haben. Wären diese
letzteren sorgfältig eingeschrieben, so würden auch sie nicht über die
Zeilenbreite hinausgehen, leider sind sie oft recht geschleudert, nehmen
mehr Platz ein, als nöthig war, und stören dadurch dieHarmonie. Dieses
Gleichmass der Zeilen wurde durch die Abbreviatur erreicht, denn man
findet am Ende der Zeile z. B. No, in der Mitte Non gesetzt, je nachdem
es der Raum erlaubte. Wie der Setzer sich half, wenn er dennoch ins
Gedränge kam, zeigt Nr. 29 vom Fusse einer Columne. Der Setzer
rückte, weil der Raum mangelte, den Initialbuchstaben L in die obere
Zeile und setzte die Gapitelüberschrift an das Ende der ersten Zeile
des neuen Gapitels, um keine leere Zeile unten zu lassen.
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Nr. 29. Textprobe aus der 42zeiligen Bibel. (Mit den Gutenbergtypen der k. k. Hof- und
Staatsdruckerei gesetzt.)
Wir haben oben einen Formschneider als Gehilfen Gutenbergs
kennen gelernt, nach der Erfindung der Letterngiesserei bedurfte er
anderer Gehilfen, welche er jedenfalls aus Kreisen nahm, welche diesen
Beschäftigungen nahe standen. So dürfte er Briefdrucker zu Buch¬
druckern, Rothgiesser zu Gehilfen in der Letterngiesserei genommen
haben, zu Setzern musste er Schreiber nehmen, da nur diese die
Kenntniss der Schreibeigenthümlichkeiten besassen, welche zu einer
genauen Wiedergabe der Texte nothwendig war.
Schon mehrere Jahrhunderte vor der Erfindung der Buchdrucker¬
kunst hatte sich der Buchhandel unter dem Schutze der Universitäten
und der Hochkirchen entwickelt. Die Pariser Buchhändler erhielten am
8. December 1275 ein Statut, in welchem verordnet wurde, dass die
stationarii, gewöhnlich librarii (Buchhändler) genannt, jedes Jahr und
von zwei Jahren zu zwei Jahren, oder wenn sie von der Universität
dazu aufgefordert werden sollten, einen Eid abzulegen hatten, sich beim
Die Cleriker.
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Kaufen, Aufbewahren, Ausstellen und Verkaufen der Bücher treu und
rechtschaffen zu benehmen, dagegen, wenn sie Betrug verüben und
ihren Eid verletzen würden, nicht nur aller Gnaden und Gunst der
Universität beraubt werden, sondern auch nicht mehr das Recht haben
sollten, ihre Profession auszuüben. 1323 legte ein Reglement ihnen
weiters die Verpflichtung auf, der Universität eine Caution von 100
Francs zur Sicherstellung der Bücher, die man ihnen zur Abschrift
anvertraute, zu erlegen. Damals wurde dieses Reglement von 26 Buch¬
händlern und 2 Frauen unterschrieben; später reducirte sich die Zahl
der geschwornen Buchhändler auf 24. Sie waren im allgemeinen sehr
unterrichtet und führten den Titel Clericus-librarius. Neben diesen
gab es auch Nichtgeschworne, aber diese durften keine Bücher über
10 Sous verkaufen und hatten ihre Auslagen unter freiem Himmel. Die
Gopisten von Profession erhielten die Manuscripte aus den Händen der
Buchhändlergeschwornen. Diese, ehe sie den Verkauf der ausgeführten
Copien ankündigten, waren verpflichtet, die Copien den Abgeordneten
der Facultäten derjenigen Wissenschaften, in deren Bereich dieOriginal-
manuscripte gehörten, zur Prüfung und Genehmigung vorzulegen.75.
Somit ist die Gensur älter als die Buchdruckerkunst.
Wenn wir demnach unter den ersten Buchdruckern Männern
begegnen, welche sich wie Peter Schöffer, Ulrich Zell, Johann
Numeister, Cleriker der Mainzer Diöcese nannten, so können dieselben
keineswegs als Schreiber, sondern eher als Buchhändler betrachtet
werden, wie sich denn Schöffer im Psalter noch nicht, sondern erst
später Cleriker nannte. Das war damals nicht in dem Sinne, wie gegen¬
wärtig, ein geistlicher Stand, denn in einer Urkunde wird ausdrücklich
ein clericus conjugatus,76 ein verheirateter Cleriker, erwähnt, wie auch
Schöffer sich mit Fusts Tochter verehelichte. Freilich wird in dem
oben gewürdigten HELMASPERGERSchen Instrument (S. 83) Schöffer
schon 1455 Cleriker der Mainzer Stadt und des Bisthums genannt. Die
Echtheit dieser Urkunde ist aber zweifelhaft, und auch dieser Umstand
spricht gegen die Echtheit, da Schöffer, wenn er schon 1455 Cleriker
war, sich im Psalter 1457 auch so genannt hätte.
Die Mitglieder der verschiedenen Zweige der Bücherfabrikation,
die Buchhändler, Schreiber, Illuminatoren und Buchbinder bildeten in
Faulmann, Gesch. d. Buchdrnckerkunst. IQ