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Die 42zeilige Bibel.
dass in jener Zeit mehrere Setzer dasselbe Manuscript setzten, welches
ihnen ein Vorleser dictirte, und der seine Entdeckung in übertriebener
Weise ausgebeutet hat, meint, zwei Setzer hätten denselben Text ge¬
setzt, der eine habe mehr abbreviirt und in 40 Zeilen dasselbe gesetzt,
was der andere in 42 Zeilen setzte. Wenn das der Fall wäre, so hätte
es sich öfter wiederholen müssen, es kommt aber nur einmal, und nur
am Anfänge der Bibel vor.
Ueber den Zweck des Doppelsatzes dürfte sich Madden im Irr¬
thum befinden, derselbe war nicht gewöhnlich, sondern konnte natur-
gemäss nur vorgenommen werden, wenn es galt, dringende Drucksachen
schnell zu liefern. Da mussten zu der Zeit, wo man die Stereotypie
noch nicht kannte, zwei Sätze für zwei Pressen oder mehr hergestellt
werden, bei unserer Bibel ist eine solche Druckbeschleunigung kaum
denkbar.
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Nr. 28. Alphabet und Ligaturen der Gutenbergtypen der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien.
Ich habe die betreffenden Seiten genau geprüft und gefunden,
dass auf der 9. Seite in der Mitte des Blattes 11 Zeilen enger sind und
somit 10 durchschossenen Zeilen entsprechen. Dass dies in der Mitte
der Seite und nicht am Ende stattfand, ist zweifellos, denn die oberen
und unteren Zeilen halten Begister, die mittleren nicht. Man bediente
sich also auf den ersten 8 Seiten eines Durchschusses, wahrscheinlich
Pergamentstreifen, vielleicht um zu verhindern, dass durch die Un¬
reinheit der Typen krumme Zeilen entstünden. Einen solchen Durch¬
schuss kann man auch bei der 36zeiligen Bibel bemerken. Irgend eine
Verbesserung im Guss, sei es Abschleifen der Buchstaben oder Ver¬
wendung eines die Zeilen durchziehenden Drahtes machte den Durch-
Die 42zeilige Bibel.
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schuss überflüssig, auf der 9. Seite machte man einen Versuch, ob der
neue Druck zu sehr von dem früheren absteche, und als das nicht der
Fall war, druckte man von nun an 42 Zeilen statt 40. Möglicherweise
hatte auch das Durchschiessen mit Pergamentstreifen Nachtheile, welche
man durch das Aufgeben desselben beseitigte. Genug, bei dem Nach¬
drucken kehrte man nicht zu dem früheren Verfahren zurück, sondern
trieb die Zeilen aus, indem man abbreviirte Wörter aussetzte und so
die Gleichmässigkeit erreichte.
Diejenigen, welche annehmen, dass die 40zeiligen Drucke jünger
sind als die 42zeiligen, lassen sich von der Meinung leiten, dass die
rothgedruckten Rubriken nur von Schöffer herrühren können. Es mag
das letztere der Fall sein, aber daraus folgt noch nicht, dass die Rub¬
riken mit dem Texte gleichzeitig gedruckt wurden. Es gibt auch
ScHöFFERsche Werke, in denen die Rubriken theils geschrieben, theils
gedruckt sind, und eine solche Verschiedenheit in der Herstellung ent¬
spricht doch nicht dem Wesen des Pressendrucks. Hiezu tritt der
Umstand, dass die Rubrik auf unserer Tafel II in den Text hineinsteht,
der Satz also nicht mit der gleichen Form, sondern besonders gedruckt
sein musste. Erfolgte nun das Eindrücken der Rubriken später, so
beweist dies gar nichts für die Chronologie der Seiten mit 40 und mit
42 Zeilen, wie auch andererseits nicht erwiesen ist, dass wir hier einen
Pressendruck und nicht einen Stempeldruck vor uns haben, wie später
beim Psalter noch weiter erörtert werden wird. Wenn die ersten
9 Seiten allein nachgesetzt wurden, derart, dass der Text mit der
10. Seite zusammenstimmte, so ist ein solches Experiment nur begreif¬
lich, wenn der zweite Satz 42 Zeilen haben, und somit die ganze Bibel
gleichmässig sein sollte, unbegreiflich ist es, dass die Harmonie der
Seiten nachträglich gestört sein sollte.
Wann der Druck dieser Bibel vollendet wurde, ist nicht Bekannt,
ein Rubricator, der Vicar Heinrich Cremer schrieb in ein Exemplar,
welches die Pariser Nationalbibliothek besitzt, im ersten Bande das
Datum 15. August, im zweiten 24. August 1456 ein. Um diese Zeit
scheint die Verbindung zwischen Fust und Gutenberg schon gelöst
gewesen und das Werk ohne Gutenbergs Mitwirkung vollendet worden
zu sein.