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Der 25zeilige Donat.
Bevor ich zur zweiten Typengattung Gutenbergs, zu den Typen
der 42zeiligen Bibel, übergehe, muss ich noch dem Donat, von welchem
Beilage 1 eine photo-lithographische Copie gibt, einige Worte widmen.
Ich habe bereits oben (S. 37) bemerkt, derselbe verhalte sich zu den
Typen der 42zeiligen Bibel, wie die Pariser Holztafeln zu denen der
36zeiligen Bibel, es ist derselbe Typencharakter, nur in kleinerer Form,
und ein ähnliches Holzschnittinitial. Unser Donat von 25 Zeilen ist
ebenfalls Holztafeldruck, wovon man sich leicht überzeugen kann,
wenn man zwischen Zeile 4 und 5 von unten eine Linie zieht, dieselbe
schneidet die Buchstaben, was bei mit Typen gesetzten Zeilen nicht
sein kann. Wenn dieser Beweis nicht vorhanden wäre, würde ich es
nicht wagen, dieses Buch für einen Holztafeldruck zu erklären, denn
die Buchstaben stehen neben einander, wie die Typen eines Satzes,
sogar die schiefe Form derselben in dem ersten Worte PArtes könnte
zu der Meinung führen, die Zeile wäre nicht fest ausgeschlossen gewesen
und die Buchstaben hätten gewackelt, so aber beweisen sie nur die
anfangs unsichere Hand desjenigen, der die Stempel auf die Holztafel
vordruckte. Nachdem wir wissen, dass wir einen Holztafeldruck vor
uns haben, erklären sich viele kleine Eigenthümlichkeiten: das lädirte
f in der 1. Zeile, das schiefe in der 6. Zeile, die ungleiche Form des и
in casus (12. Zeile), das eingeschnittene r in Superlativus (Zeile 9 von
unten) u. s. w. Eigenthümlich ist diesem Donat die gänzliche Isolirung
der Buchstaben, gegen den damaligen Schreibgebrauch der Ligaturen ;
diese Isolirung ist keineswegs ein Zeichen des geringen Alterthums,
denn die Buchdrucker gebrauchten in den Siebziger- und Achtziger-
Jahren die Ligaturen sehr häufig, ich möchte sie vielmehr als ein Zeichen
höheren Alters betrachten.
Die Buchstaben zeigen eine Vollendung in der Kunst der Buch¬
stabenschnitzerei, welche staunenswerth ist und die der Pariser Holz¬
tafeln und der 36zeiligen Bibel bei weitem übertrifft. Ich habe mir
einige Zeilen mit den Gutenbergtypen der Wiener k. k. Staatsdruckerei
absetzen lassen und sie mit dem Texte dieses Buches verglichen, aber
nur sehr unbedeutende Abweichungen bemerkt. Nur die Versalien
sind verschieden, aber auch keinem einzigen mir bekannten Incunabeln-
Alphabete entsprechend, wesshalb ich einige derselben hier folgen lasse.
Das Speculum humanae salvationis.
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Nr. 25. Versalien des 25zeiligen Donats. (Nach dem Original.)
DerLeserwirdaus der Vergleichung dieser Versalien mit demTexte
in Beilage 1 erkennen, in wie weit er den von mir selbst angefertigten
Facsimiles Vertrauen schenken kann, photographisch genau sind sie
nicht, da bei der wiederholten Uebertragung von dem Texte auf die
Pause, von der Pause auf das Papier kleine Ungenauigkeiten sich leicht
einstellen, aber der Charakter ist treuer wiedergegeben, als wenn ich
mich eines technisch geschulteren, aber mit dem Gegenstände selbst
weniger vertrauten Mittelsmannes bedient hätte, ich habe stets die
Vorsicht gebraucht, die facsimilirten Texte zur Controle mit freier
Hand nachzuschreiben, um die Eigenthümlichkeiten, die auch bei dem
besten Pauspapier leicht verdeckt werden, mir vor Augen zu halten.
Da mir kein Holztafeldruck bekannt ist, wo in gleicher Weise die
Typen mechanisch auf den Holzstock vorgebildet wurden, da dies
eine Eigenthümlichkeit der Gutenbergdrucke zu sein scheint, da ferner
die gemeinen Buchstaben mit denen der 42zeiligen Bibel übereinstim¬
men (sie sind nur etwas grösser), so habe ich angenommen, dass dieser
Druck von Gutenberg herrührt und ein Vorläufer der 42zeiligen Bibel
war. Die Einfachheit der Versalien in der 42zeiligen Bibel dürfte tech¬
nischen Umständen zuzuschreiben sein.
Es existirt ein merkwürdiges Werk, welches mit diesen Typen
Aehnlichkeit hat; es ist das Speculum humanae salvationis von einem
unbekannten Drucker, ein Werk, welches von vielen für den ersten
Druck des fabelhaften Koster in Harlem gehalten worden ist. In
diesem Werke befindet sich auf jeder Seite ein, die halbe Seite ein¬
nehmender Holzschnitt, der mit dem Reiber gedruckt ist und darunter
der Text mit gegossenen Typen, das ganze Werk ist einseitig (ano-
pistographisch) gedruckt, auch dort, wo keine Holztafeln Vorkommen. In
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Nr. 26. Alphabet der Typen des Speculum humanae salvationis. (Nach dem Original.)