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Ursprung der Interpunctionen.
den Copisten anderer Länder nachgeahmt wurden.72 Die ersten Buch¬
drucker mussten dem Geschmacke ihrer Zeit huldigen, sie druckten
nur den Text, Initiale und Rubriken (von der rothen Farbe der Ueber-
schriften so, oder da sie den Inhalt angeben, „Summarien“ genannt),
wurden mit der Hand eingemalt respective eingeschrieben (vgl. die
ersten 4 Zeilen auf Tafel I). Die Geschichte der Initiale im XV. Jahr¬
hunderte ist die Geschichte] der Emancipation der Buchdrucker von
der Handmalerei, welche sie allmählich durch Holzstöcke ersetzten,
während sie auch bezüglich der Rubriken sich emancipirten. Der
Illuminator und der Rubricator nahmen einen grossen Theil des Ge¬
winns in Anspruch, man verkaufte daher auch die Bücher ohne Initiale
billiger und überliess es dem Käufer, sich selbst die Initiale einzumalen
oder einmalen zu lassen, daher die Menge von Incunabeln, in welchen
die Initiale fehlen.
Auch die Interpunctionen sind nicht von den Buchdruckern
erfunden worden, wenngleich diesen der Ruhm gebührt, dieselben
geordnet zu haben. Zwar findet man in den ältesten handschriftlichen
Denkmalen des V., VI. und VII. Jahrhunderts keine Abschnitte, sondern
ununterbrochene Linien, welche ohne Abtheilung der Worte geschrieben
sind, zwar fehlt selbst der Punkt in diesen Handschriften ganz, oder
wo er ist, steht er nicht am Fusse des Buchstabens, sondern oft oben
am Buchstaben, aber Thatsache ist doch, dass die Römer schon die
Interpunction kannten, denn wir lesen bei Seneca : „ Cum scribimus
interpungere consuevimus“, wir finden den Ausdruck Komma bei den
Griechen, incisum bei den Römern (die Franzosen nennen es virgule),
Kolon bei den Griechen, membrum bei den Römern, aber man setzte
den Doppelpunkt auch da, wo wir jetzt das Fragezeichen anwenden,
ebenso findet man den Strichpunkt da, wo wir blos den Beistrich an¬
wenden und an Stellen wo wir den Punkt gebrauchen. Demosthenes,
Cicero und St. Hieronymus wendeten die Theilung in Verse und Halb-
verse in lateinischen und griechischen Manuscripten an, doch soll die
jetzigeEintheilung der Bibelverse vonRoBERT Etienne herrühren. Alinea
bedeutet den Beginn einer neuen Zeile oder den Ausgang vor derselben,
es gab solche, welche gleiche Zeile hielten (bei den Franzosen à-linea
alignés), andere wo die Wörter in die folgende Zeile übergingen (à-linea
Die Interpunctionen.
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saillants), wie es noch jetzt bei compress gesetzten Wörterbüchern vor¬
kommt, und solche, welche einen weiten Raum liessen. Man zeichnete
solche Alineas mittelst eines Doppelhakens {[ in die Manuscripte ein,
woraus unser § entstanden ist, welches „Absatz“ bedeutet; das jetzige
Einziehen von Anfangszeilen stammt noch von dem Raume des Initials.
Bindestriche in der Form -js(^ sind von den alten Grammatikern erfun¬
den worden, um die Verbindung zweier oder mehrerer Wörter anzu¬
zeigen; der Gänsefüssch en bediente man sich schon in alten Manuscripten
zu Citationen, man kannte sie im Alterthume unter dem Namen Anti-
Lambda, ebenso wurden auch die Parenthesen schon im Alterthume
angewendet. Die Sternchen waren schon zu den Zeiten des Aristo¬
phanes, Orígenes, St. Hieronymus in griechischen und lateinischen
Manuscripten bekannt, sie wurden als Sternchen, als Kreuz, umgeben
von vier Punkten, gezeichnet und dienten bald als Zeichen der Aus¬
lassung oder der Wiederherstellung des Textes, bald um einen ver¬
stümmelten Sinn oder verwirrte Phrasen anzuzeigen, bald zeigten sie
eine Maxime, eine merkwürdige Sentenz eines Buches an. Custoden
(bei den Franzosen Reclamen) kommen schon im XI. Jahrhundert vor,
im XIV. wurden sie allgemein.73 Es geht hieraus hervor, wie wenig
Gewicht darauf zu legen ist, wenn die Bibliographen einem Drucker die
Einführung von Seitenzahlen, einem anderen die der Signatur, einem
dritten die der Custoden, einem vierten verschiedene Interpunctionen
zuschreiben, die Drucker folgten einfach ihren Manuscripten oder ihren
Correctoren, welche in den ersten Zeiten der Buchdruckerkunst nicht
nur die Fehler der Setzer zu verbessern, sondern auch die Handschriften
vor dem Druck durchzusehen und von den durch Copisten einge¬
schmuggelten Fehlern zu reinigen hatten. Nur Aldus Manutius hat sich
durch seine Schrift: Arspunctanti egregij ohratoris Frandsd petrarche,
Poete laureati, ad Salutatum Ohratorem insignem 1493 ein Verdienst um
die Regelung der Interpunction erworben.74
In unserer 36zeiligen Bibel (Tafel I) sind die Interpunctionen
zum Theile nachträglich eingeschrieben worden und zwar nach hand¬
schriftlichen Bemerkungen am Schlüsse in den Jahren 1487 und 1589.
Diese nachträglichen Correcturen scheinen mittelst Patronen erfolgt zu
sein, da diese Interpunctionen auffallend höher stehen. ■