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Gutenberg und Pfister.
wenn Pfister solche bewegliche Typen schnitt, setzte und mit ihnen
druckte, so wich ervon derVerfahrungsweise aller seiner Zunftgenossen
ab und folgte nicht seiner eigenen Idee, sondern anfangs den Anord¬
nungen Gutenbergs und später übte er die fremde Erfindung zu seinem
eigenen Nutzen. Die Urkunde vom 6. October 1448, laut welcher
Arnold Gelthuss für Johann Gensfleisch, genannt Gudenbergk, Geld
aufnahm, dürfte wohl in ursächlichem Zusammenhänge mit dem Bibel¬
druck stehen, möglicherweise überstiegen die Kosten der Ausführung
seine Kräfte, oder der Plan, Typen zu giessen, war in ihm aufgetaucht
und hatte ihm die Lust an den geschnitzten Typen benommen — ich
glaube nicht, dass Gutenberg die 36zeilige Bibel selbst vollendet hat,
denn ihre Vollendung hätte ihm die Mittel zu neuen Werken gegeben
und ihn der Nothwendigkeit überhoben, sich mit Fust zu verbinden.
Aus den ersten Rechnungen des Magistrats von Bamberg vom
Jahre 1420 ergibt sich, dass die Familie Pfister sich eines Wohlstandes
erfreute, welchen sie durch ihre Ausgaben bethätigte. Im Jahre 1440
zahlte ein Ulrich Pfister auf der Messe zu Frankfurt am Main das
Geleitsgeld für seine Vaterstadt, welcher Dienst bis zur Säcularisation
gewöhnlich durch einen ihrer reichen Stadträthe vollzogen wurde.
Ob dies der Vater Albrecht Pfisters, oder ob er es selbst war, indem
Ulrich und Albrecht leicht verschoben sein konnten, wie Jaeck, dem
ich diese Mittheilung entnehme,70 bemerkt, kann uns gleichgiltig sein,
es genügt dieThatsache, dass Pfister aus eigenen oder aus den Mitteln
seiner Familie in der Lage war, die von Gutenberg begonnene Bibel
fortzuführen und zu vollenden.
Merkwürdigerweise ist das Exemplar der36zeiligen Bibel, welches
sich in der Wiener Hofbibliothek befindet, durch die Hände zweier
Rubricatoren gegangen, denn der erste Band hat rothe arabische Blatt¬
zahlen, der zweite solche bis zum 230. Blatte, und von da bis zum
Schlüsse des dritten Bandes laufen schwarze römische Zahlen. Auch
in der Illuminirung zeigt sich ein Unterschied, die Initiale der zweiten
Hälfte stehen denen der ersten Hälfte an Schönheit nach, die der
zweiten Hälfte sind mit Fratzen umgeben, dem Buchstaben P ist öfter
ein Schwein zugezeichnet, welches sitzend den Schwanz in der Schnauze
hält, wahrscheinlich eine Anspielung auf Porcus, aber mit unseren
Die 36zeilige Bibel.
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heutigen Begriffen von Anstand wäre eine Verwendung solcher Initiale
in einer Bibel unvereinbar. Wenn diese zweifache Rubricatur auch in
den anderen Exemplaren vorhanden ist, so dürfte sie mit dem Zeit¬
punkte zusammenfallen, wo Pfister das Werk allein fortsetzte, doch
würde auch sie kein bestimmtes Datum ergeben.
Die Typen dieser 36zeiligen Bibel sind unzweifelhaft nicht
gegossen, sondern geschnitten, das beweist die Verschiedenheit der
Typen, welche bei näherer genauer Untersuchung zu erkennen ist,
man vergleiche z. B. die m in ambrosius, in munuscula, in simul und in
suavissimas, sie stehen ziemlich untereinander, sind alle vom gleichen
Stempel und doch so verschieden in ihren Theilen; diese Verschieden¬
heit beruht einzig auf der Ausarbeitung durch den Grabstichel, die
geringste Veränderung in der Handbewegung bringt einen anderen
Strich hervor. Noch auffälliger ist der Unterschied des a in scripturarum
und in dem danebenstehenden studia (Zeile 6 von unten), der e in der
vierten Zeile des Textes, wo die Oeffnungen bald grösser, bald kleiner
sind, ferner der о in corporum (Zeile 8 von unten) u.s.w. Dann betrachte
man den Totaleindruck, den Tafel I und Tafel II machen, und man
wird finden, dass die Buchstaben der Tafel I geschnitten, die der
Tafel II gegossen sind.
Der Xylograph, Herr Günther, der die Holzbuchstaben der Probe
Nr. 15 auf Seite 4-0 geschnitten hat, behauptete sogar, die Buchstaben
seien nicht einzeln, sondern in ganzen Tafeln geschnitten und diese
Behauptung ist um so beachtenswerther, als ein Zeitgenosse Pfisters,
Paul Paulirinius (auch Paul von Prag genannt), erzählte, zu seiner Zeit
habe jemand in Bamberg die ganze Bibel (integrum Bibliam) auf Tafeln
geschnitten und in vier Wochen gedruckt, aber dieser Mann berichtet
nur nach Hörensagen und da mag die „Armenbibel“ mit der „ganzen
Bibel“ verwechselt worden sein. Ganz abgesehen von den Kosten der
1671 Folioseiten ist auch nicht anzunehmen, dass der Drucker täglich
28 Formen eingehoben und gedruckt habe, ja selbst der Druck ein¬
zelner Exemplare ist auf der Presse ganz undenkbar. Uebrigens hat
Herr Günther seine Aufgabe, die Buchstaben einzeln in Holz zu
schneiden, so geschickt gelöst, dass man die Zeilen in Nr. 15 recht gut
für compacte Holzzeilen halten könnte, in welchen nur die Typen aus-