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Ehrenrettung Gutenbergs.
der aus guten Quellen geschöpfte Bericht des Trithemius über die Vor¬
gänge in der ersten Zeit der Erfindung der Buchdruckerkunst. Und
wie die Lüge schwindet und die Wahrheit immer mehr hervortritt,
wenn die ernste historische Forschung sich einer Frage bemächtigt, so
sind nach und nach alle Schemen von angeblichen Erfindern ver¬
schwunden und immer reiner und glänzender Gutenberg und seine
Verdienste aus der Prüfung hervorgegangen.
Der einzige Zweifel, der noch übrig bleibt, betrifft den Namen
seines-Vaters, die Frage, ob er Frielens oder Georgs Sohn war, aber
da das, was von dem Thun eines grossen Mannes übrig bleibt, sein
Werk und sein Name ist, so ist jene Frage der Filiation von unter¬
geordneter Bedeutung. Und wenn ich im Interesse der Wahrheit
genöthigt war, manche Strassburger Illusion zu zerstören, so bin ich
doch in der angenehmen Lage, diese Untersuchung mit einem ver¬
söhnlicheren Worte zu schliessen als Dr. v. d. Linde seine Unter¬
suchungen über Harlem: Strassburg und Mainz können ihre Denkmäler
behalten und sich derselben freuen, Strassburg war die Geburts¬
stätte des Meisters, Mainz die Geburtsstätte seiner Kunst.
ПІ. ABSCHNITT.
DIE ERSTEN DRUCKWERKE.
NCUNABELN oderWiegendrucke nennt man dieBücher, welche
von der Erfindung der Buchdruckerkunst an bis zum Schlüsse
des XV. Jahrhunderts gedruckt worden sind; ihre Zahl ist eine sehr
stattliche, Hains Katalog zählt 16.299 Werke auf, was, da die Auflage
gewöhnlich 300 war, eine Anzahl von 5 Millionen gedruckter Bücher
ergibt.
In einem Zeiträume von 50 Jahren musste sich der Buchdruck
natürlicherweise entwickeln, zumal durch die Neuheit und das wissen¬
schaftliche Interesse angezogen, viele fähige Köpfe sich der Buch¬
druckerkunst zuwendeten. Daher finden wir unter den Incunabeln
Bücher, welche keine Merkmale der Kindheit an sich tragen, denen
man vielmehr die Erfahrung ihrer Drucker auf den ersten Blick ansieht.
Um nun die Entwicklung der Buchdruckerkunst besser verfolgen zu
können, werde ich eine Scheidung der Incunabeln vornehmen und mich
zunächst mit den Erstlingsdrucken beschäftigen, nämlich jenen, welche
von Gutenberg und seinen ersten Gehilfen herrühren und welche, somit
die Kindheit der Buchdruckerkunst darstellen.
Da mehrere dieser Bücher ohne Namen des Druckers, ohne An¬
gabe des Druckortes und ohne Jahreszahl erschienen sind, so sind zur
Beurtheilung solcher Werke gewisse Grundsätze nöthig und ich citire
zunächst diejenigen, welche der erfahrene Bibliothekar Fischer68 über
die Bestimmung der Incunabeln im allgemeinen angegeben hat: