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Eine böse Zunge über Gutenberg.
die Buchdmckerkunst erfunden und ausgeübt worden sein soll, in den
Erzeugnissen dieses seines Genies geflissentlich seinenNamen weglässt,
und überdies ruhig und ohne irgend eine Einsprache geduldet haben
sollte, dass ausschliesslich die Namen seiner Geschäftsgenossen vor
das Publicum kamen. Dies ist ganz unerklärbar.“
Soweit Dibdin seine Folgerungen aus dem Strassburger Processe,
aus dem Notariatsinstrument des Helmasperger und der Urkunde
von 1459 zieht, brauchen dieselben nicht weiter erörtert zu werden,
die letzterwähnte Urkunde gilt jetzt allgemein als falsch, und bezüglich
der beiden ändern habe ich dieselbe Ueberzeugung dargelegt. Das
ist ja, wie oben bemerkt, das Merkmal der Lüge, dass sie eine logische
Untersuchung nicht vertragen kann, sich in Widersprüche verwickelt,
und denjenigen, dem sie helfen soll, nur compromittirt. Was dagegen
Dibdin am Schlüsse bemerkt, ist unüberlegt gesprochen.
Zunächst muss ich sagen, es ist wahr, dass Gutenberg sich nie
als den Erfinder genannt hat, und selbst in dem von ihm wahrschein¬
lich selbst beendeten Katholikon seinen Namen nicht nennt, aber so
beispiellos, wie Dibdin behauptet, ist diese Anonymität nicht; wir
besitzen eme grosse Zahl Incunabeln ohne Angabe des Jahres, des
Druckortes und desDruckers, bei unbedeutenden Werken pflegten selbst
Fust und Schöffer sich nicht zu nennen, da damals eine gesetzliche
Vorschrift, wie sie jetzt besteht, die Angabe dieser Daten auf den
Druckwerken nicht verlangte. Nehmen wir die religiöse Anschauung
hinzu, die im Katholikon hervorleuchtet, dass sich der Erfinder als ein
inspirirtes Werkzeug Gottes betrachtete, so wird die Anonymität noch
erklärlicher.
Wenn sich aber Dibdin wundert, dass der Erfinder ohne irgend
eine Einsprache geduldet hat, dass ausschliesslich die Namen seiner
Geschäftsgenossen vor das Publicum kamen, so hat er höchst ober¬
flächlich geurtheilt. Mit welchem Rechte konnte Gutenberg dem Fust
und dem Schöffer verbieten, dass sie auf den Psalter druckten:
яGegenwärtiges Buch der Psalmen ist durch die kunstreiche Erfindung
des Druckes und der Buchstabenerzeugung zu Stande gebracht
worden durch Johann Fust und Peter Schöffer?“ Mit keinem Worte
vindiciren sich beide die Ehre der Erfindung, sie sagen nur, dass sie
Ehrenrettung Gutenbergs.
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das Buch mit der (nicht mit ihrer) neuen Erfindung gedruckt haben,
erst nach Gutenbergs Tode wagt Schöffer damit zu prahlen, dass er
dem Erfinder im Buchstabenschnitzen überlegen gewesen sei, bei
seinen Lebzeiten wagte er nicht einmal das zu behaupten. Gutenberg
hatte kein Privilegium auf seine Erfindung genommen, er hatte Fust
oder wenigstens Schöffer selbst in die Geheimnisse der Kunst ein¬
geweiht und sich jedenfalls keine Reservatrechte Vorbehalten. Sie hatten
die Gelegenheit benützt, ein Prä venire zu spielen, welches selbst im
Katholikon kaum wett gemacht werden konnte.
Mit mehr Recht kann man fragen: wenn Fust und Schöffer sich
so prunkend im Psalter nannten, warum fehlt ihr Name auf einer der
früher gedruckten Bibeln, der 36zeiligen oder der 42zeiligen? Das
unterdessen sie gewiss nur, weil sie kein Recht hatten, diese Arbeiten
als von ihnen hergestellt auszugeben, weil diese Werke ganz oder
zum grössten Theil nicht von ihnen herrührten. Wurde Gutenberg
durch den Process verhindert, den Schluss der 42zeiligen Bibel zu
drucken und durch eine entsprechende Unterschrift wie im Katholikon
seine Erfindung einzuführen, so konnte auch Fust cías Werk nicht als
das seine ausgeben und das Facit war die volle Anonymität. Das ist
meine Folgerung, und ich überlasse es dem Leser, zu urtheilen, ob sie
logisch ist.
Wenn ferner Dibdin fragt, welchen Beweis man habe, dass
Gutenberg wirklich Bücher gedruckt habe, so verweise ich auf die
Zeugnisse, die ich im Anfänge dieses Abschnittes zusammengestellt
habe und auf den Umstand, dass, wenn Gutenbergs Name von seinen
nächsten Genossen consequent verschwiegen wurde, er dagegen von
Italien herüber erklang. Man hat mit Recht der Harlemer Koster-
Legende gegenüber hervorgehoben, dass den Zeitgenossen nichts davon
bekannt war, bei Gutenberg tritt das Gegentheil ein, mehr als
die in später Zeit zusammengeklaubten und zum Theil gefälschten
Urkunden gelten die Zeugnisse derer, die zum Theil noch zu seiner
Zeit oder wenigstens unmittelbar nach ihm gelebt haben, eines
Lignamine, der 1474 Gutenberg als Drucker neben Fusa- nennt, eines
Palmerius, Bossius u.s. w., gilt das durch Schotts Prahlereien erpresste
Geständniss des Johann Schöffer, dass Gutenberg der Erfinder sei, gilt