122
Eine böse Zunge über Gutenberg.
Der Wahrheit gemäss muss bemerkt werden, dass nichts vorliegt,
was auf Schönheit, Jugend und Geist der Fusrschen Tochter hin¬
deuten könnte, wir wissen nur, dass Fust ein reicher Bürger und
Schöffer ein Gehilfe in der Druckerei von Gutenberg & Fust war.
Bei dem strengen Standesunterschiede im Mittelalter musste eine Ver¬
bindung mit der Tochter eines reichen Bürgers für einen armen Teufel
so verlockend erscheinen, dass Jugend, Schönheit und Geist nicht
nothwendig waren, dem Schöffer die Ehe begehrlich erscheinen zu
lassen. Andererseits liegt ausser verdächtigen Aussagen von Schöffers
Seite nichts vor, dass sich Fust activ beim Druckwerke betheiligt hatte,
insbesondere liegt gar nichts für die Annahme vor, dass Johann Fust
Goldschmied gewesen sei, manche halten ihn für einen Rechtsgelehrten,
obgleich auch dies nicht bewiesen ist. Fust musste einen geschickten
Gehilfen auf seine Seite bringen, um den Gutenberg entbehren zu
können, und da er erst im Jahre 1465 den Schöffer seinen Schwieger¬
sohn nannte, so zweifelt man, dass die eheliche Verbindung früher
stattgefunden habe, zumal die Vereinigung der beiden Wappen am
Schlüsse des Psalters von 1457 eine Association, nicht eine Familien¬
verbindung beweist. Nach einer Urkunde nimmt man sogar an, dass
Christina die Enkelin des Fust gewesen sei, da aber in den meisten
Berichten von einer Tochter gesprochen wird und Fusts Sohn ein
Geistlicher war, so ist diese Annahme unbegründet.
Dibdin fährt, nachdem er von der Heirat des Schöffer Anlass
genommen hat, zu constatiren, dass wenige Stunden, bevor er diese
eine Weinlaune verrathenden Worte niederschrieb, am 2. Mai 1816
die Vermählung des Prinzen Leopold mit der Prinzessin Charlotte
von Wales, stattgefunden habe, fort:
„Ich vermuthe, dass Fust und Schöffer den Gutenberg für einen
verworrenen Kopf und wahrscheinlich für nicht sonderlich versöhn¬
licher oder gutherziger Gemüthsart hielten, denn im Processe, welchen
derselbe gegen Fust verlor, hatte er die Niedrigkeit, anzuführen, dass
ihm die ersten von Fust geliehenen 800 Gulden nicht alle auf einmal
vorgeschossen worden seien (das soll ja Fust selbst vorher erzählt
haben! 1. 26, 27). Ueberhaupt scheint mir in seiner Antwort ein
Anschein von Winkelzügen oder Ausflüchten zu liegen. Das Gericht
Eine böse Zunge über Gutenberg.
123
hielt den Fust für einen beleidigten Mann und erkannte auf Restitution
des Geldes an den Eigenthümer. Die Trennung erfolgte nun. Der orts¬
verändernde oder umherschweifende Charakter Gutenbergs bestimmte
ihn abermals zu reisen und sein Glück zu versuchen. Fischer bemerkt,
der schwärzeste Undank habe diesen Process gegen Gutenberg erregt.
Ich nenne dies Trompetenstösse. Bergellanus nennt zwar den Process
gegen Gutenberg eine ungerechte Schikane, allein er schrieb erst im
Jahre 1541, und poetische Einkleidung ist nicht das unverwerfliehe
Vehikel der Wahrheit ; doch muss ich erinnern, dass derselbe Bergel-
Lanus die Erfindung der Matrizen bestimmt dem Schöffer zuschreibt.
Ich glaube zuversichtlich, dass ich der allerletzten einer bin, die ihren
Fuss einem fallenden Geschöpfe auf den Nacken setzen oder blos der
Opposition wegen sich in Bitterkeiten gefallen (die Leser wollen sich
selbst ein Urtimi darüber bilden); allein nach diesem Gemälde von
Gutenberg, zu dessen Zeichnung mich nur die Liebe zur Wahrheit
angetrieben hat (man vergleiche, wie unrichtig Dibdin die Bürgschaft
wegen des Bleies und die Frage der nicht voll gezahlteil 800 Gidden
behandelt), glaube ich wirklich und gewissenhaft, dass wir all unser
Mitgefühl und unsere Bewunderung dem Fust, nicht aber dem capri-
ciösen und kopfverworrenen Gutenberg bewahren sollen.“
„Welchen Beweis, welchen vollständigen Beweis haben wir denn,
dass Gutenberg ein Buch gedruckt hat? Wo erscheint sein Name? Die
Urkunde von 1459 [('s. S. 118) beweist zwar, dass er Bücher gedruckt
hat, allein ich¿weiss den Beweis nicht mit irgend einem früheren dem
Gutenberg zugeschriebenen Druckwerke zu verknüpfen, denn die Bibel
von 1455 ist ja mit gegossenen Buchstaben gedruckt, und die eifrigsten
Vertheidiger^GuTENBERGs räumen ein, dass derselbe blos mit Holz¬
tafeln gedruckt hat (gegenwärtig ist die Ansicht allgemein verbreitet, dass
Gutenberg auch die Schriftgi esser ei erfunden hat). Zwar sagt er in der
Urkunde von 1459, dass er dem Kloster St. Clara alle Bücher geben
wolle, welche er bereits gedruckt habe oder noch drucken werde. Allein
war dies nicht eine bella mensogna, eine blosse Prahlerei? Warum speci-
ficirte er seine Druckwerke nicht? Sie konnten nicht zahlreich gewesen
sein. Es ist ohne allen Zweifel ein sehr befremdender und beispielloser
Umstand, dass ein Mann, durch dessen Genie und Unternehmungsgeist