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sollte, während der Entdecker dieser Kunst und der vornehmste
Betheiligte an der Sache in Folge misslungener Versuche an derselben
Unternehmung bankerott geworden ist? Das ist wahrlich sehr zu
bezweifeln. Was den Process betrifft, so existirte damals die Gesell¬
schaft nicht mehr. Es ist auch auffallend, dass in dem Gesellschafts-
Verträge keine Vorsehung für den Fall des Todes getroffen worden ist.
In der alsbaldigen und gänzlichen Ausschliessung des Bruders eines
Theilhabers, welcher so. bald nach dem Abschlüsse des Vertrages
gestorben war, und wie erhellt, bei Lebzeiten nicht den mindesten
Gewinn weder von dem ersten, noch von dem zweiten Unternehmen
gezogen hatte, scheint mir ein entscheidender Beweis zu liegen, dass
Gütenberg ein Mann von selbstsüchtigem und ungestümen Charakter
war, besonders da der Verstorbene die Zahlung für eine Menge von
Gutenberg erkauften Bleies verbürgt hatte.“
Unterdrücken wir die Entrüstung über den malitiösen Engländer,
der selbst eine vage und entschieden bestrittene Zeugenaussage
benützt, um Gutenberg mit Steinen zu bewerfen. Das was hier gegen
diesen vorgebracht wird, hat für uns keinen anderen Werth, als dass
es die innere Wahrheit des angeblichen Aktenstücks erschüttert, und
es ist von besonderem Interesse, dies aus dem Munde eines Mannes
zu hören, der die Authenticität desselben Aktenstücks wegen äusserer
Merkmale bezweifelt hatte. Dass derselbe Gelehrte, der in der Urkunde
eine Handschrift des XVL und nicht des XV. Jahrhunderts, wie sie es
hätte sein sollen, erblickt hatte, sich eher jeder Invective gegen Guten¬
berg überliess, als dem Gedanken, dass er von einem Fälscher dupirt
sein könne, beweist, mit welcher Oberflächlichkeit und Leichtfertigkeit
geurtheilt und die Gemüther verwirrt würden. Freilich konnte der
Bibliothekar, der sich aus der üppigen Krippe des Lord Spencer
mästete, der Europa durchzog, um seltene Druckwerke anzukaufen und
in Althorp zu verschliessen, damit sein Herr sich als Besitzer der
seltensten Raritäten bewundern lassen konnte, kein Verständniss für
den Idealismus eines Erfinders haben, Dibdin konnte nur verstehen,
was sich in Pfund Sterling abschätzen liess und wenn er die Buch¬
druckerkunst hätte erfinden sollen, würde er zuerst berechnet haben,
wie viel jährliche Rente ihm die Sache trage; wäre die Summe zu
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gering ausgefallen, hätte er die Sache stehen gelassen, auch wenn er
die Befähigung gehabt hätte, sie durchzuführen. Doch hören wir ihn
weiter:
„Gutenberg zog nach Mainz zurück als ein ruinirter und der
Verzweiflung naher Mann, ohne den Erfolg seiner neu erfundenen
Kunst sicher gestellt oder deren Nützlichkeit dargethan zu haben, denn
wenn sie auch nur eine Wahrscheinlichkeit des Gewinns dargeboten
hätte, so würde er nicht nach Mainz gezogen sein und es Riffe und
Heilmann überlassen haben, sich von dem reichen Gewinn aus der
Buchdruckerei Pferde, Garossen und Landhäuser anzuschaffen. In
dieser Lage lernte er Fust, einen Goldschmied (!?) und talentvollen (!?)
Kopf kennen, welcher vermuthlich seine Versuche mit dem Tafeldruck
zu sehen bekam, und als ein grossmüthiger und thätiger Mann seine
Zeit und seinen Reichthum auf die möglichste Erweiterung und Ver¬
vollkommnung der Erfindung wandte und neue Ideen zur Verbesserung
der Kunst an die Hand gab, da &r schwerlich sein Geld blos für die
Aussicht auf den Nutzen, welcher aus dem Tafeldruck hätte gezogen
werden können, hergeliehen haben würde. Elie er jedoch dem Guten¬
berg Geld lieh, hatte er sich sehr wahrscheinlich mit Schöffer ver¬
bunden. “
„Es ist nicht zu bezweifeln, dass Schöffer den glänzenden Lohn,
welchen er von seinem Herrn erhielt, vollständig geerntet hat, und ich
glaube gern, dass Vater und Tochter am Tage der Vermählung gleich
sehr vergnügt waren. Sowie Desdemona die russige Hautfarbe ihres
tapferen Othello vergass, wenn er ihr die bestandenen Gefahren
erzählte, so (denke ich mir) bemerkte Christina Fust ganz und gar
nicht die schwarzgefärbte Haut (?) Peter Schöpfers, welcher als ein
vollständiger Buchdrucker wohl durchaus nichts von einem Lilienteint
an sich haben konnte, als sie die schönen und wundervollen Werke
seiner Geschicklichkeit betrachtete. In der That, was kann das Herz
eines geistreichen (!) jungen Frauenzimmers sicherer gewinnen, als die
Kundgebungen eines so ausserordentlichen Talentes? Welche Zuver¬
sicht musste nicht ein Exemplar von dem ersten Psalter geben, welches
der wissenschaftliche Drucker auf einem sanuntnen Kissen zu den
Füssen seiner bewunderten Dame niederlegte?“