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Der Strassburger Process.
klar gewesen sein, wir können natürlich auch nicht klar darüber
werden. Während Gutenberg seinen Diener um die Presse schickt,
schickt Heilmann den Drechsler Konrad Sahspagh um dieselbe Presse,
die er gemacht habe und die er folglich auch zerlegen könne. Derselbe
kam am 26. December in Dritzehns Wohnung, da war das Ding weg,
auch Klaus Dritzehn, der auf Gutenbergs Bitte die Presse zerlegen
soll, fand dieselbe nicht mehr, die Verwunderung dieser Leute kann
aber nicht grösser gewesen sein, als die Verwirrung aller derjenigen,
welche sich abgemüht haben, in diesen Unsinn einen Sinn zu bringen.
Während Sahspach am Stefanstag die Presse in der Wohnung des
todten Dritzehn vergeblich sucht, besucht Midhart Stocker am
darauffolgenden Johannistag den Dritzehn, trifft ihn noch am Leben
und unterhält sich mit ihm; Dr. v. d. Linde bemerkt dazu, das sei
nicht so gemeint, er meine mit dem Johannistag den 23. December.
Ich habe vor mir einen Abdruck des Kalenders des Johann von Gmun¬
den vom Jahre 1439 und finde da den Johannistag am 27. December.
Was den Dritzehn betrifft, so war er nach Schaab ein wohl¬
habender und angesehener Bürger zu Strassburg, der in einem freund¬
schaftlichen Umgang mit Gutenberg gestanden, nach Wetter war er
ein armer Schlucker, der nicht einmal ein eigenes Haus hatte, für mich
ist er keine historische Person. Solche sind aber Andreas Heilmann,
der mit seinem Bruder Nikolaus 1441 eine ausserhalb der Stadt
Strassburg gelegene Papiermühle besass, und Konrad Sahspach ; beidei
Siegel sind in Lempertz Bilderheften zur Geschichte des Buchhandels
abgebildet, aber von Urkunden entnommen, welche mit dem in Rede
stehenden Processe nichts zu thun hatten. Mit diesen Namen und mit
dem Gutenbergs und anderen, die vielleicht in anderen Akten vor-
karnen, konnte allerdings eine Urkunde geschmiedet werden.
Schliesslich will ich noch als Beispiel, wie sonst klarsehende
Leute, von Vorurtheilen befangen, schief urtheilen, anführen, dass
Dr. v. d. Linde in dem Processe die Aussage des Goldschmieds Dünne,
er habe bei Gutenberg gegen 100 Gulden verdient an Sachen, die zum
Drucken gehören, für eingeschoben und gefälscht hält, weil nach ihm
Gutenberg die Typographie 1450 in Mainz erfunden hat und somit
alles falsch ist, was sich auf frühere Typen bezieht. Nach meiner
Bodmanns Fälschungen.
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Ansicht war die Buchdruckerkunst im Jahre 1450 nach vieljährigen
Versuchen so weit gereift, dass Gutenberg den Druck der Bibel unter¬
nehmen konnte, von meinem Standpunkte hätte ich nichts dagegen,
wenn Gütenberg in Strassburg die Presse und selbst das Letterngiessen
erfunden hätte, mir scheinen aber sämmtliche Strassburger Urkunden
nichts anderes zu sein, als der Nachhall der Rachtung von 1430, die,
wie ich oben S. 98 gezeigt habe, nicht den Erfinder, sondern den Kauf¬
mann Johann Gensfleisch betraf, und desshalb setze ich Misstrauen in
die Strassburger Schuldurkunden. Was den Strasshurger Process
dagegen betrifft, so halte ich ihn vom Anfang bis zu Ende für eine
Erfindung, denn seine Widersprüche sind der unverkennbare Stempel
der Lüge, die Wahrheit widerspricht sich nicht.
Haben die Strassburger pro patria gefälscht, so hat der Archivar
Bodmann zu Anfang dieses Jahrhunderts zu seinem Vergnügen gefälscht.
Schaab sagte von ihm: .Bodmann hatte die Urkundensprache des
Mittelalters durch ein dreissigjähriges unablässiges Studium und
Uebung so in seiner Gewalt, dass es ihm ein Leichtes war, nicht allein
Urkunden aller Art zu verfertigen, sondern auch alle Schreibarten
jedes Jahrhunderts täuschend nachzuahmen. Bekannt ist es, dass er
sich dieser Kunst bei jedermann rühmte.“67 Unter den bei Schaab
aufgeführten Urkunden befindet sich eine hübsche Zahl solcher, die aus
Bodmanns Nachlass stammen; einige derselben sind schon oben gewür¬
digt worden. Wie es scheint, liebte Bodmann, der Geschichte nach¬
zuhelfen, und wo diese schwieg, mit seinen Urkunden einzuspringen.
Bisher war Gutenbergs Leben mit Urkunden bis auf die Zeit von seiner
Trennung bis zu seiner Berufung an den Hof des Kurfürsten gepflastert,
Bodmann verstand auch diese Lücke auszufüllen und fand in dem
Bibliothekar G. Fischer einen Gläubigen, der in seinen „Typographi¬
schen Seltenheiten“, Mainz 1800, I, 44, Folgendes meldete:
„Im Universitätsarchiv zu Mainz befindet sich eine von Guten¬
berg selbst gefertigte Urkunde über die Aufnahme seiner Schwester
Hebele in das Kloster St. Clara zu Mainz, in welcher es unter anderem
und in der Urkunde unterstrichen, heisst: Vnd vmb die bucher, die
ich Henne obgeñ. gegeben han zu der Liberey des vorgeñ. Glosters,
die ß ollen beliben bystendig vnd ewiclichen by derselben liberey, vnd