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Der Strassburger Process.
Jubelfest der Erfindung der Buchdruckerkunst feierte. Es ist das
Urtheil des Rathes vom 12. December 1439, fängt an „Wir Cuno
Nope, der Meister und Rath der Stadt Strassburg, thun kund“ u. s. w.,
scheint aber kein Siegel gehabt zu haben, da Schöpflin, der es ver¬
öffentlichte, eines solchen nicht erwähnt, und ist leider schon vor der
preussischen Beschiessung verloren gegangen, denn bereits Wetter
beklagte im Jahre 1836, dass man zu Strassburg diese Urkunde nicht
mehr aufweisen konnte, ebensowenig wie die Klage der Ennel zur
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Der kurze Inhalt dieses weitläufigen Schriftstückes ist folgender :
Georg Dritzehn (ein Franzose umschrieb diesen Namen sehr gut mit
XIII) in seinem und im Namen seines Bruders Klaus Dritzehn geben
an, ihr verstorbener Bruder Andreas Dritzehn sei mit Hans Gens¬
fleisch von Mainz genannt Gutenberg, zu einer Gesellschaft gekommen
undhabe eine bedeutende Summe seines väterlichen Erbes daran gewen¬
det, um das Gewerbe dieser Gesellschaft zu betreiben, auch sei er für Blei
und anderes Zugehör, das zu diesem Gewerbe gebraucht worden, Bürge
geworden und habe es bezahlt. Sie als Erben hätten nun Gutenberg
ersucht, sie an ihres Bruders Stelle in die Gesellschaft aufzunehmen,
und nachdem er ihnen dies abgeschlagen, fordern sie vor Gericht,
Gutenberg solle sie entweder in die Gesellschaft aufnehmen oder ihnen
das von ihrem Bruder eingelegte Geld wieder herausgeben. Darauf
habe Gutenberg geantwortet, er finde diese Forderung unbillig, da er
doch mit ihrem Bruder einen Vertrag abgeschlossen habe, den sie
auch nach seinem Tode vorgefunden hätten (der Zettel ihres Ueber-
einkommens à la Fust), und sie wüssten daraus, dass ihr Bruder vor
einem Jahre zu ihm gekommen und ihn ersucht habe, ihn einige
Künste zu lehren. Er habe ihn darauf Steine schleifen gelehrt, woraus
Dritzehn Nutzen gezogen habe. Später habe er den Vogt Hans Riffe
eine Kunst gelehrt, welche bei der Aachener Heilfahrt zu verwenden war.
und ausbedungen, dass er zwei Drittel, Riffe ein Drittel des Gewinnes
haben solle. Dies habe Andreas Dritzehn erfahren und ihn gebeten, ihn
diese Kunst zu lehren, zu gleicher Zeit habe Herr Antonius Heilmann
dasselbe Ansuchen bezüglich seines Bruders Andreas Heilmann gestellt,
worauf er eingewilligt habe, sie zu unterrichten und ausgemacht, dass
Der Strassburger Process.
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jeder 80 Gulden zahlen und von dem Ertrag die beiden letztgenannten
zusammen einen Theil, Riffe den ändern Theil und er (Gutenberg) die
Hälfte des Gewinnes erhalten sollte. Nachdem alles zur Wallfahrt
nach Aachen vorbereitet war, sei dieselbe um ein Jahr verschoben
worden und seine Gesellschafter hätten ihn desshalb (!) gebeten, ihnen
alle seine Künste zu lehren und nichts vor ihnen zu verbergen. Darauf
seien sie einig geworden, ihm zum ersten Gelde noch 250 Gulden zu
zahlen, nämlich 50 Gulden sofort und 75 Gulden in drei Zielen. Drit¬
zehn habe aber nur 40 Gulden gezahlt, und weil dieser nun vor diesem
Termin gestorben sei, so sei ausgemacht worden, dass das Unter¬
nehmen fünf Jahre dauere, und wenn einer von ihnen mit Tode
inzwischen abginge, sollten alle Arbeiten und Werkzeuge der Gesell¬
schaft gehören, seine Erben aber nach Ende der fünf Jahre eine Abfer¬
tigung von 100 Gulden erhalten. Von dieser Uebereinkunft habe der
Verstorbene eine Abschrift bekommen, da beabsichtigt war, über die
Uebereinkunft eine gesiegelte Schrift und dieselbe somit unanfechtbar
zu machen. Er erklärt sich nun bereit, obgleich er dies erst nach fünf
Jahren schuldig sei, den Erben Dritzeiins, nachdem ihm noch
85 Gulden ausständen, die auf die 100 Gulden fehlenden 15 Gulden
sofort auszuzahlen. Wenn Dritzehn sein väterliches Erbe versetzt oder
verkauft habe, so ginge ihn das nichts an, er habe nicht mehr
empfangen, als er angegeben habe, ausgenommen eine halbe Ohm
gesottenen Wein, einen Korb mit Bieren und er und Andreas Heilmann
hätten ihm ein halb Fuder Wein geschickt, wogegen sie bei ihm fast
mehr verzehrt hätten. Auch sei Dritzehn nirgend für ihn Bürge
geworden, weder für Blei noch für anderes.
Natürlich war der Rath zu Strassburg viel gerechter gegen
Gutenberg als das Gericht zu Mainz, er liess Gutenberg einen Eid
schwören (ganz à la Fust) und nachdem dies geschehen, wurde dem
Begehren Gutenbergs entsprochen. (Mainzer, schämt euch!)
So stand Urtheil gegen Urtheil, und wenn durch das Helmas-
PERGERsche Instrument bestätigt' wurde, dass Gutenberg 1450 zu
Mainz die Buchdruckerkunst mit Fusts Geld oder Hilfe erfand, wie
das ja von der ScHÖFFERSchen Familie behauptet worden war, so ging
aus dem Strassburger Rathsbeschluss hervor, dass Gutenberg 1439