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Strassburger Urkunden.
In seinem Werke Vindiciae tgpographicae, Argentorati 1760,
berichtet Schöpflin von einer Urkunde, nach welcher im Jahre 1437 ein
Fräulein Anna zur eisernen Thür, die letzte ihres Geschlechtes, welches
zu den adeligen Geschlechtern des niederen Eisass gehörte, Gutenberg
wegen eines Eheversprechens bei dem bischöflichen Gerichte verklagt
habe, doch sei nicht bekannt, zu welchem Resultate dieser Process
geführt habe. Als später Meermann im Jahre 1761 eine Abschrift von
der Urkunde verlangte, musste Schöpflin gestehen, dass eine solche
Urkunde nicht existiré, dass sich jene Nachricht nur in einer Rand¬
glosse vorfinde und so schrumpfte diese (Gutenbergs Ehre mit eiserner
Stirn angreifende) Urkunde zu der verdächtigen datumlosen Eintragung
einer Ennel Gutenberg im Helbelingzoll zusammen!
Nachdem Gutenberg in Mainz im Jahre 1448 durch Gelthuss ein
Anlehen aufgenommen hatte, musste er natürlich in Strassburg gleich¬
falls Anlehen aufnehmen. Am 2. Jänner 1441 verbürgte er sich nebst
einem Ritter Luthold v. Ramstein als Mitschuldner für eine jährliche
Rente von 5 Pfund Eleller, welche der Waffenträger Johann Karle für
die Summe von 100 Pfund Heller dem Capitel der St. Thomaskirche
zu Strassburg verkauft hatte und am 15. December 1442 verkaufte
er mit einem Strassburger Bürger Martin Brehter demselben Stift
eine jährliche Rente von 4 Pfund Heller auf eine jährliche Rente von
10 Gulden aus den Einkünften des Mainzer Stiftes, die er von seinem
Onkel Johann Leheimer, weltlichen Richterl zu Mainz, ererbt hatte,
welche Summe beide Schuldner bar empfangen und gänzlich zum
Nutzen und Gebrauch des Johann Gutenberg (ganz wie bei Gelthuss)
verwendet zu haben bekannten. Diese Rente Onkel Leheimers muss
jedoch werthlos gewesen sein, denn wie Professor C. Schmidt in
seinen zu Strassburg 1841 (früher war es nicht möglich) erschie¬
nenen Nouveaux détails sur la vie de Gutenberg, tirés des archive de
l’ancien chapitre de St. Thomas à Strasbourg (Neue Einzelnheiten über
das Leben Gutenbergs, den Archiven der St. Thomaskirche zu
Strassburg entnommen) nachweist, musste das Capitel am 10. April
1461 beim Reichsgerichte zu Rottweil um Execution ansuchen, und
das Rechnungsbuch des genannten Stiftes enthält darüber folgende
No uveaux d¿taiIs :
Strassburger Urkunden.
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Dis ist der costen uff Martin Brehter und Johann Guttemberg.
xiiii ß dem Rotwiler botten von der Ladung gen Mentz.
xiiii ß vor dem verbietz brieff gen Mentz.
ij ß vi d. dem procurator,
ij ß vi d. in daz ocht buch zu schriben.
ij ß umb den ocht brieff.
iij ß umb ij verbietz brieffe.
iiij d. dem heren Knecht trostung Martin Brehter oht zu sagen.
1458—1474 werden Gutenberg und Brehter als Schuldner auf- und
fortgeführt, von 1468 an aber steht neben ihrer Aufführung „шгаГ
und erst im Jahre 1474 „Johann Guttemberg und Martin Brehter . . .
Ш iiij lib. abeganck“.
Nr. 21. Siegel des Friele Geksfleisch. Nr. 22. Angebliches Siegel des Johask
(Nach Köhler.) Gutenberg. (Nach Lempertz.)
Ich füge hier unter Nr. 22 das Siegel Gutenbergs, welches sich
an dieser Schuldurkunde befindet, nach Lempertz bei, daneben unter
Nr. 21 das Siegel des Friele Gensfleisch, seines Vaters, von den
Urkunden LV und LIX; bei dem Mainzer Siegel fehlt auffallenderweise
der Helm, das Zeichen der Ritterschaft.
Mit diesen Schuldurkunden war aber die Buchdruckerei in
Strassburg noch nicht erfunden; selbst angenommen, dass diese Strass¬
burger Urkunden echt wären, so kann hier ein gleicher Personenunter¬
schied vorliegen, лѵіе im Jahre 1434, und wie dort der Vater des Georg,
hier der Sohn desselben gemeint sein (s. S. 105). Man musste weiter
gehen und dem Notariatsinstrument des Ulrich Helmasperger eine
Strassburger Processurkunde entgegenstellen. Das Verdienst, eine
solche gefunden (fast hätte ich geschrieben: erfunden) zu haben, gebührt
demAmmeister Jakob Wenker im Jahre 174-0, als man allerorts das dritte-