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Genealogie Gutenbergs.
und ihre Verdienste ausgezeichnet waren, wie denn der Kurfürst
Albert im Jahre 1483 unter 11 Adeligen auch einen Johann v.
Sorgenloch, genannt Gensfleisch zu seinem Ministerialen oder Dienst¬
mann ernannte.58 Mit Ausnahme der GELTHussschen Anleihe und des
Vertrages mit Fust liegt in den Mainzer Urkunden (die HuMERYsche
Urkunde scheint mir nicht echt) nichts über die angebliche Armuth
Gutenbergs vor und es ist somit kein Grund vorhanden, anzunehmen,
dass er den Erlös aus seinen Arbeiten vergeudet habe; der Mangel
jeder weiteren Darlehensurkunden und seine Berufung an den Hof des
Kurfürsten dürfte eher darauf hinweisen, dass er zu dieser Zeit ein
angesehener und nicht unbemittelter Mann war. Verheiratet scheint
er nicht gewesen zu sein und somit auch keine Kinder gehabt zu
haben, welche sein Gedächtniss lebendig erhalten hätten; schon zu
Anfang des XVI. Jahrhunderts scheint man weder sein Geburts- noch
sein Todesjahr gekannt zu haben, da die Denksteine, welche Adam
Gelthuss und Ivo Witig ihm errichteten, entgegen aller sonstigen
Gepflogenheit, keine Daten enthielten. In neuerer Zeit will man in dem
Anniversarium der Dominicanerkirche zu Mainz zum 2. Februar (1468)
folgende Eintragung gefunden haben: O(biit) Dns Jolies zum Ginsefleis
cum duabus candelis sup lapidem ppe cadedram praedicantis habens arma
Ginsefleis, wonach die Behauptung des Gelthuss, welche übrigens auch
in einem Manuscript der Familie zum Jungen enthalten ist, 39 dass
Gutenbergs Gebeine in der Franziscanerkirche begraben seien, irrig
wäre, aber solche neuere Entdeckungen kann man nur mit Misstrauen
aufnehmen und womit ist denn bewiesen, dass dieser Johannes zum
Ginsefleis der Erfinder war?
Ausser diesen genealogischen Nachweisungen gebührt Köhler
das Verdienst, auch andere Zeugnisse für Gutenberg der Vergessen¬
heit entrissen zu haben, so die Kölner Chronik, den Bericht des
Trithemius, die Zeugnisse Wimphelings, Johann Schöffers Dedication
in seinem Livius, Bergellanus Gedicht, eine Reihe von Zeugnissen,
welche hier nicht aufgenommen wurden, da sie sich nur darauf
beziehen, dass die Buchdruckerkunst in Mainz erfunden wurde, die
Zeugnisse für Gutenberg von Lignamine, vom Bergamenser, Palmerius,
Fulgosus, Sabellicus, Serrarius, die Schlussschriften des Psalters von
Strassburger Ansprüche.
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Schöffer, des Rationale, der Constitutionen Clemens V., des Katho-
likon, der Decretalien Bonifacius VIII. r. s. w.
Während es so gelungen war, nachzuweisen, dass die Buch¬
druckerkunst wirklich von Johann Gutenberg zu Mainz erfunden
worden ist, suchten die Strassburger auch etwas „für die Ehre ihrer
Stadt“ zu erobern. Die Anregung dazu gab Professor Schöpflin, dem,
wie er selbst erzählt, kaum nachdem er angefangen hatte, zu Strass¬
burg in der Literatur zu unterrichten, die Fundamente verdächtig
vorkamen, auf deren Grunde die elsässischen Schriftsteller der Stadt
Strassburg den Ursprung der Buchdruckerkunst zu vindiciren pflegten/
Er wunderte sich sehr, dass man dem Gutenberg, welchem die öffent¬
liche Stimme von Europa diese Kunst zuschrieb, einen Mentel gegen¬
überstellte und empfahl den Strassburger Gelehrten, dem Mainzer Guten¬
berg den Strassburger Gutenberg entgegenzustellen, nachdem er aus
den zwei von Scherz im Archiv der St. Thomaskirche zu Strassburg
entdeckten Urkunden erfahren hatte, dass Gutenberg im Jahre 1441 in
Strassburg gewesen sei. Sie begriffen endlich mit ihm, dass die ganze
Sache der Strassburger blos allein auf Gutenberg beruhe und dass
mit dem Lebensabschnitt desselben, welchen er in Strassburg
zubrachte, der Ursprung der Buchdruckerkunst ohne Zweifel ver¬
webt sei.00
Die Folge war die Producirung einer Reihe von Aktenstücken,
denn mit geringeren Schriftstücken konnte man ja den Mainzern nicht
entgegentreten, und um diese letzteren nicht herauszufordern, begnügte
man sich, mit diesen Aktenstücken die Jahre zu pflastern, in denen
Gutenbergs Anwesenheit in Mainz nicht nachgewiesen war.
In demHelbelingzoll, das ist der Hellerzoll, den die Stadt Strass¬
burg erhob, fand man, dass Gutenberg am 24. Juni 1439 12 Schilling
und am Georgitage 1444 1 Gulden an Weinzoll entrichtet habe, an
einer anderen Stelle desselben ohne Angabe des Jahres (!), dass diesen
Zoll Ennel Gutenberg gezahlt habe. Ob dieser Gutenberg derselbe
war wie der Mainzer Junker, ob nicht vielleicht in Strassburg ebenso
ein Weinbauer existirte, wie in Mainz ein Weinbauer Gudinsberg,
darum kümmerte man sich nicht, imGegentheil wurde diese Eintragung
von Schöpflin zu einer unverschämten Fälschung benützt.