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Pseudo-Erfinder: Mektel, Kosteh.
dessen Untreu bekümmerte sich Mentele so hart, dass er starb vor
Leid (1478, also 21 Jahre nach dem Erscheinen des Sch0ffersí7í№. Pscd-
iers, 18 Jahre nach Mentels Bibel!) und ward zu Ehren der Kunst im
Münster begraben und eine Druckerpresse auf seinen Grabstein ge¬
hauen (schade, dass derselbe nicht vorhanden ist, er würde das älteste
Bild einer Buchdruckerpresse cjezeicjt haben). Hernach strafte Gott seinen
Dienei Genssfleisch auch, dass er bis an sein Ende blind geworden.
Ich habe die erste Presse, auch die Buchstaben gesehen, sie waren von
Holz geschnitten, auch ganze Wörter und Silben, hatten Löcher und
man fasste sie mit einer Nadel an eine Schnur nacheinander und zog
sie dann nach den Zeilen in die Länge. Es ist schade, dass man solches
Werk, welches das allererste in aller Welt gewesen ist, hat verloren
gehen lassen.“ (Vgl. oben S. 39.)
Diese Erzählung wurde 1650 von einem Pariser Arzte Jakob
Mentel, der sich für einen Nachkommen des Strassburger Buchdruckers
hielt, obwohl derselbe keine Söhne, sondern nur Töchter hinterlassen
hatte, in zwei Schriften wieder aufgewärmt.
Der häusliche Streit zwischen Strassburg und Mainz trug aber
noch andere Früchte. In Harlem hatte sich 1561 der Bürgermeister
Jan van Zuren (sprich Süren) mit dem öffentlichen Schreibnotar Coorn-
hert associirt, um eine Buchdruckerei zu errichten, welche nur zwei
Jahie bestand. Coornhert empfahl in einem Widmungsschreiben an
den Magistrat zu Harlem das neue Geschäft mit der Bemerkung, dass
ihm manchmal in gutem Glauben gesagt worden sei, dass die nützliche
Kunst der Buchdruckerei zu allererst hier in Harlem erfunden worden
sei, obwohl in einer sehr rohen Manier. (1483—1486 hatte Jacob
Bellaert zu Harlem gedruckt.) Diese Kunst sei nachmals von einem
ungetreuen Knecht (genau nach cien Versen des Johann Schott) nach
Mainz geführt und dort sehr verbessert worden (genau wie bei Speck-
lin). V er der Erfinder gewesen sei, sagte Coornhert nicht, diese Aus¬
schmückung der Fabel erfolgte durch Adrianüs Junius (Adrian der Junge)
in seiner Historia Bataviae Ргітцт Tom. 1588, welcher vermuthlich
seinem Freunde, dem Arzte Martin Koster, zu Gefallen als den Er¬
finder Laurenz Janssoon genannt Koster (Küster) angab und behauptete,
dass ein gewisser Johannes, sein Gehilfe, bezüglich dessen er es dahin
Pseudo-Erfinder: Ein Kuttenberger, Gastaldi.
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gestellt sein lasse, ob derselbe mit Zunamen Faust geheissen, seinem
Herrn die Druckerei in der Christnacht gestohlen habe.
Obwohl schon der Herausgeber des Spiegels des Hauses Oester¬
reich 1668 sich über diesen Diebstahl lustig machte, da doch nicht
Wagenladungen gèstohlen werden könnten, so hat doch diese Erzäh¬
lung selbst in Deutschland Gläubige gefunden, und es musste ein
Harlemer, Dr. v. d. Linde, selbst aufstehen, um mit dem Rattenkönige
von Behauptungen und Fälschungen der Wahrheit, welcher sich aus
der Junius-Geschichte im Laufe der Zeit entwickelt hatte, gründlich
aufzuräumen.
Harmloser suchten die Böhmen den Erfinder der Buchdrucker¬
kunst für sich in Anspruch zu nehmen, indem sie behaupteten, es sei
ein Kuttenberger. Der erste dieser Vertreter Kuttenbergs war der
böhmische Astronom M. Peter Codicilus de Tulchow 1576, der jüngste
Karl Winarickt, Curat zu Kowan bei Jungbunzlau 1845.
In Italien erzählte Antonio del Corno in seinen Memorie isteriche
di Peltre, Venezia 1710, die Mähr, dass im Jahre 1456 Pamfilio
Castaldio, Doctor und Dichter zu Feltre,- die Buchdruckerkunst erfun¬
den habe. Fausto Comesburgo (Burggraf, er hatte wahrscheinlich von
einem Bürgermeister Faust gehört) lernte von ihm diese Kunst, da er
in seinem Hause zu Feltre wohnte, um die italienische Sprache zu
erlernen. Er führte diese Kunst nach Deutschland und da er sie zu
Mainz ausgeübt, bekam er nachher von einigen den Titel des ersten
Erfinders. Andere haben diese Erfindung einem Deutschen, Namens
Cuttembergo aus der Stadt Strassburg zugeschrieben, allein der erste
Erfinder, wie aus der Chronik von Feltre erhellt, ist Pamfilio Castaldio
gewesen, und nachdem er sie anderen mitgetheilt, kam die Kunst nach
Deutschland. Diese Geschichte wurde 1866 zu Mailand wieder auf¬
gewärmt.
Unter diesen Umständen wussten die Deutschen gar nicht mehr,
wen sie als Erfinder der Buchdruckerkunst feiern sollten. Da wurden
1690 zu St. Gallen die von Trithemius um 1513 geschriebenen Annalen
des Klosters Hirschau aus dem Staube einer Bibliothek gezogen und
gedruckt, in denen, wie es schien, ein authentischer Bericht über die
Entstehung der Buchdruckerkunst enthalten war. In denselben heisst