Zeugnisse für Gutenberg.
Buchstaben nicht von ihrer Stelle weggenommen werden konnten, und
danach nicht geeignet waren, verschiedentlich gebraucht zu werden,
kam ihnen Peter Schöffer zu Hilfe, den kaum irgend ein anderer im
Schnitzen übertraf. (Siehe oben S. 61, Z. 25.) Dieser, ein scharfsinniger
Kopf, bildete merkwürdig ausgestochene Werke, welche die Nachwelt
mit dem Namen Matrizen bezeichnete und goss zuerst (?) Gestalten der
Töne in Erz, welche in unzähligen Weisen zusammengesetzt werden
konnten. Nun erwachte die Hoffnung von neuem, das Geschäft wurde
an geheimen Orten und ohne Zeugen betrieben, damit es nicht die
Beute gewinnsüchtiger Menschen werden möge. Zuerst wurde die kaum
geborene Kunst mit rohen Versuchen geübt, bald aber durchbrach sie
ihre Schranken und nachdem die Genannten die Feile noch angelegt
hatten, wurde sie durchaus zur Vollkommenheit gebracht. So wurde
dieses Werk durch eine heilige Dreiheit vollendet. Der erste war Gutex¬
berg, der zweite Faust, der dritte Schöffer. Nun betrieben diese das
neue Werk unter sich mit grossem Eifer Tag und Nacht, die einen
setzten die Worte zusammen, die anderen handhabten die Presse. Sie
gaben verschiedene Büchlein heraus, welche sie mittelst metallner
Buchstaben druckten und die von aller Welt bewundert werden. Als
sie nun sahen, dass die seltene Waare Glück machte, schlossen sie
einen Vertrag (es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Vertrag erst nach¬
träglich geschlossen wurde, gewöhnlich entstehen Gesellschaften nur auf
Grund eines Vertrages), dass alles, was Gott und das Glück bescheeren
würde, gemeinschaftlich, dagegen aber auch die Last der Arbeit für
sie- gleich sein sollte. Allein die Bündnisse auf Gewinn werden selten
durch Einigkeit gestärkt, sie werden leicht von Zwietracht erreicht..
So kehren auch hier die Urheber des Vertrages, als die Hoffnung
auf Gewinn sie zu erfüllen anfing, ihr befangenes Gemüth der Zwie¬
tracht zu, sie trennen sich und lösen den Vertrag auf (die gütliche
Auflösung des Vertrages widerspricht dem Folgenden), die Zusagen
entfallen, das Vertrauen wird zu nichte. Fortan sollte nun jeder mit
eigener Presse aller Welt dienen und für sich nach reichem Gewinn
streben. Gutenberg erträgt den ungerechten Streit nicht, er ruft Gott
zum Zeugen an, dass der Vertrag gebrochen (!) werde. Die Sache
wurde endlich vor ein furchtsames Gericht gebracht und es ward ein
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abscheulicher Process vor ihm geführt. Allein lange Zeit hindurch ist
die Sache in scherzhaftem Streit geführt worden und sie ist noch heute (?)
vor Gericht anhängig.“
Die Nachwelt wäre dem Bergellanus dankbar gewesen, wenn er
statt in schwülstigen Versen seiner verworrenen Phantasie Lauf zu
lassen, nüchtern und klar mit Angabe von Daten erzählt hätte, was er
über Gutenberg und die Erfindung der Buchdruckerkunst erfahren
hatte ; soviel ist gewiss, dass Gutenberg die Formschneidekunst nicht
zu erfinden brauchte, weil sie schon vor ihm existirte. Von grösstem
Interesse ist in seiner Erzählung die Erwähnung eines Processes, der
jedenfalls stattgefunden haben musste, da im Jahre 1457 Fust und
Schöffer den Psalter als ihr Werk veröffentlichten. Ferner ist als sicher
anzunehmen, dass ein Werk, wie die Bibel, nicht von drei Männern
allein hergestellt werden konnte, zumal es zweifelhaft ist, ob Fust jemals
mit arbeiten geholfen habe, da ja auch sein Sohn nicht Buchdrucker
wurde. Wurden aber mehrere Gehilfen beschäftigt, wurde der Process
geführt, um Gutenberg die Druckerei zu entreissen, so erklärt sich die
Trennung der Buchdruckergehilfen schon vor dem Jahre 1457, wie
denn auch Mentel und Pfister bereits im Jahre 1460, jener zu Strass¬
burg, dieser zu Bamberg, gedruckte Bücher veröffentlichten und es
erklärt sich auch die von nun an auftauchende Sage von einem Dieb¬
stahl und der Hass Fusts gegen Gutenberg, denn es ist kein Zweifel,
dass des letzteren treue Gesellen den Fust und den Schöffer beschul¬
digten, sie hätten Gutenberg die Buchdruckerei gestohlen. Derlei Sagen
nehmen in der mündlichen Ueberlieferung die sonderbarsten Formen
an und nicht selten werden der Dieb und der Bestohlene verwechselt.
Hiezu kam noch der Umstand, dass Johann Schöffer, obwohl er
im Jahre 1505 Gutenberg als den Erfinder genannt hatte, die durch
seines Vaters Unterschriften erzeugte Vermuthung, dass Fust selbst die
Buchdruckerkunst erfunden habe, später ausbeutete. Schon im Jahre
1509 behauptete er in der Schlussschrift zum Enchiridion, sein Gross¬
vater, Johann Fust, habe die Druckkunst zuerst erfunden und im Jahre
1515 versah er des Trithemius Chronik mit einer lateinischen Unter¬
schrift (schön in Form eines Kelches gesetzt), welche lautete: „Diese
Chronik ist gedruckt in der edlen und berühmten Stadt Mainz, der