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Aufhebung des Postulats.
In Deutschland wurde diese Umwandlung am bittersten empfun¬
den, hier war in den Zunftgebräuchen eine gegenseitige Erwerbs¬
versicherung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorhanden,.
Rechte und Pflichten waren genau abgemessen. Mit der politischen
Umwandlung wurde das Postulat (in Bayern 1804, in Preussen 1810)
aufgehoben, aber mit den Insignien des Postulirens schwanden auch
die Rechte der Arbeiter, die Behörden verboten die Coalition bei
schwerer Strafe, an Stelle der halbjährigen Condition trat die vierzehn¬
tägige Kündigung, Arbeitslohn und Verwendungsdauer wurden ganz,
der Willkür der Buchdruckereibesitzer anheimgegeben.
Nr. 380. Geräthe zum Postuliren, im Museum zu Lüneburg, gez. von L. Mundschenk.
Unter diesen Umständen ist es begreiflich, dass die Gehilfen noch
jetzt wehmuthsvoll an die Zeit des Postulats zurückdenken. Nach¬
träglich erhielt der Verfasser des vorliegenden Werkes durch Herrn
L. Mundschenk eine Abbildung von Geräthen, welche zum Postuliren
gebraucht wurden und sich derzeit im Museum zu Lüneburg befinden;,
dieselben mögen hier als Illustration zu der Schilderung auf Seite 401
noch einen Platz finden. Der Hörnerhut ist aus gelbgrünem Pergament¬
papier gemacht, das grosse Beil, die Säge, der Schinken (wozu derselbe
diente, ist nicht bekannt), der Zirkel und die kleinen Beile sind von Holz
und mit Oelfarbe bemalt. Bei dem Hute befindet sich ein Zettel mit den
Aufhebung des Postulats. Lehrlingswesen.
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Worten: „Depositor (soll heissen: Depositio) Cornuti Typo g rapitici. Das
ist Lust und Freudenspiel, welches bei Annehmung und Bestetigung
eines Jungen Gesellen, der die Edle Kunst der Buchdruckerey redlich
hat aussgelernet, kann hingestellet werden. Von J. B. zum Erstenmahl
gedruckt in Lüneburg (1654 in 4°). Anjetzo aber zu der Niedersächsi¬
schen Reede die hochteutsche anbei gesetzt und mit schönen Liedern
vermehrt. Frkft. a. M. 1667 in 8°. Insr (Goslar?) 1652 in 8°“.
Begrüsst wurde die Aufhebung des Postulats von den strebsamen
Kräften, welche sich nach einem selbständigen Wirkungskreise sehnten.
Zwar wurde das Buchdruckergewerbe nicht ganz frei gegeben, es blieb
an eine Concession gebunden, aber die politischen Behörden waren in
der Ertheilung der Concession freigebiger. In Würzburg, zum Beispiel,
wurde die Zahl der Druckereien von 1804—1840 von drei auf acht
vermehrt; trotzdem die Nahrung der Inhaber einiger derselben zweifel¬
haft erschien, wurden doch noch weitere Concessionen von Gehilfen
nachgesucht und nach eingehenden Erhebungen seitens der Regierung
im Jahre 1848 zwei neue Concessionen verliehen (heute besitzt Würz¬
burg 11 Buchdruckereien). In dem Kampfe um das Dasein, welchen die
neuen Druckereien mit den alten führten, wurde naturgemäss die
Billigkeit der Production in erster Linie ins Auge gefasst und neben
der möglichsten Herabsetzung der Arbeitspreise die Lehrlinge als
Arbeiter ausgenützt. Die Druckereien glichen oft weniger Arbeiter¬
werkstätten als Arbeiterzüchtungsanstalten; denn „Schulen“ wäre ein
Euphemismus, da es dem Besitzer nur daran lag, dass die Lehrlinge
soviel lernten, als seinem Nutzen entsprechend war.
Die Spalten der typographischen Journale wimmeln bis auf die
jetzige Zeit von Klagen über diesen „Lehrlingsunfug“ und die damit
verbundene „Schmutzconcurrenz“. Der Fernerstehende vermag sich
indess schwer von der Berechtigung dieser Klagen zu überzeugen. So
viel aus den Zeiten des Postulats bekannt ist, unterschieden sie sich von
den jetzigen nur durch die beschränkte Anzahl der Lehrlinge, nicht
aber in der Ausnützung derselben. In früherer Zeit mussten die Lehr¬
linge sechs, ja selbst sieben Jahre lernen, mussten Arbeiten verrichten,
welche zu ihrer typographischen Ausbildung nicht beitrugen, nur
roboteten sie nicht für den Principal, sondern für den „ Anführgespan“.