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Zeugnisse über die Erfindung der Buchdruckerkunst.
Johann Fust, Bürger, und Peter Gernssheim, Cleriker dieser Diöcese,
genannt werden. Es ist hieraus geschlossen worden, dass Peter
Schöffer erst nach dem Drucke des Psalters den Titel und die Rechte
eines Glerikers (so hiessen die Schreiber, welche Manuscripte zum
Abschreiben entlehnen durften) erhalten habe. Diese gleiche Unter¬
schrift zeigen die 1460 erschienenen Constitutionen des Papstes
Clemens V.
In demselben Jahre erschien das Katholikon, dessen Drucklegung
Gutenberg selbst zugeschrieben wird, und welches folgende Unter¬
schrift trägt: Unter dem Beistände des Allerhöchsten, auf dessen Wink
die Zungen der Kinder beredt werden, und der oft den Kleinen offen¬
bart, was er den Weisen verbirgt, ist dieses vortreffliche Buch Katho¬
likon im Jahre der Menschwerdung des Herrn MCCCCLX in der guten
der ruhmwürdigen deutschen Nation angehörigen Stadt Mainz, welche
die Gnade Gottes mit so hehrem Geisteslichte und freiem Gnaden¬
geschenke den anderen Völkern der Erde vorzuziehen und zu verherr¬
lichen gewürdigt hat, gedruckt und zu Stande gebracht worden,
und zwar nicht mittelst des Rohres, des Griffels oder der Feder, sondern
durch das bewundernswerthe Zusammenpassen, Verhältniss und Eben-
mass der Patronen und Formen.“ Dunkel, wie der ganze Spruch sind
insbesondere die Schlussworte, welche vom Verhältnisse der Patronen
undFormen handeln. Man hat diese Wörter gewaltthätig mit „Patrizerr
und „Matrizen“ übersetzt, der gelehrte Abt Trithemius, welcher 1513
die Annalen des Klosters Hirschau schrieb, scheint es aber anders
verstanden zu haben, denn, wenn er sagt: „sonach druckte man zuerst
mit in hölzerne Tafeln der Ordnung nach geschriebenen Buchstaben,
Zeichen und aneinandergefügten Formen ein Wörterbuch, Katholikon
genannt“, so scheint er durch Gutenbergs Worte zur Annahme verführt
worden zu sein, dass das Werk ein mit Patronen hergestellter Tafel¬
druck war. Ernesti, ein Buchdrucker im XVIII. Jahrhundert, der die
Bedeutung dieser Worte für die Frage der Erfindung des Stempel¬
schneidens nicht kannte und dieselbe Phrase in einem von Sensen-
sghmid 1470 in Nürnberg gedruckten Werke fand, sagt: „Patronen
heissen in Druckereien entweder die langen und schmalen Stücke von
Pappendeckel, welche an den Enden der Formen herumgelegt werden,
Zeugnisse über die Erfindung der Buchdruckerkunst.
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damit die Ränder des Papiers neben der Schrift im Drucke nicht
maculirt werden, oder das Papier, welches zu diesem Zwecke an das
Rähmchen gekleistert wird.“ Madden, ein französischer Bibliograph
der Gegenwart, übersetzt es mit „wunderbarer Uebereinstimmung der
Typen und Formen“ und bemerkt dazu, dass patrona im Mittelalter
„Autograph, Architype“, d. i. das Modell, welches nachgeahmt werden
soll, die Punze, um Münzen zu schlagen, bezeichne, jede Type werde
in der That eine Punze, welche ihren Abdruck auf dem Papiere
zurücklasse. Ich glaube, dass Gutenberg nichts anderes sagen wollte,
als worauf spätere Drucker hinwiesen, dass das gedruckte Werk eine
wunderbare Uebereinstimmung mit der Handschrift zeige, welche durch
die Typen nachgeahmt wurde, und ich übersetze Patrone, so, wie noch
heutzutage die Patronen der Zimmermaler genannt werden, mit
„Muster“. Das ergibt denselben Doppelsinn, der schon Trithemius irre
führte. Dass Gutenberg mit seinen Worten auf etwas anspielen wollte,
was seinen Zeitgenossen unbekannt war, ist undenkbar.
Nach Gutenbergs Tode im Jahre 14-68 druckte Peter Schöffer
in den Schlussworten zu Justinians Institutionen: „Derjenige, welchem
es gefällt, die der Kunst mächtigen Männer mit Weisheit zu erfüllen,
hat jene ausgezeichneten Meister in der Kunst zu schnitzen gesandt,
jene beiden in der Stadt Mainz geborenen Johannes nämlich, die
berühmten ersten Buchdrucker, mit welchen Peter zu dem ersehnten
Grabmale kam, der zwar später anlangte, allein dennoch zuerst hinein¬
ging, da er von dem, welcher allein Licht und Verstand gibt, mit Ein¬
sicht begabt, denselben in der Verfahrungsweise des Schnitzens über¬
legen ist. “ (Es ist dies eine Anspielung auf die biblische Erzählung, dass
Johannes und Petrus zum Grabe Christi gingen, und wie Petrus, ob¬
wohl er zuletzt anlangte, doch zuerst hineinstieg, so sei auch Schöffer,
obgleich er zuletzt zur Erfindung der Buchdruckerkunst gekommen sei,
doch zu grösserer Meisterschaft gelangt.)
Wie der Erfinder der Buchdruckerkunst hiess, erfahren wir zuerst
von fremden Schriftstellern:
Im Jahre 1474 druckte der Buchdrucker Johann Philipp de
Lignamine zu Rom in der Chronik der Päpste und Kaiser unter dem
Jahre 1458: „.Jacob (soll wohl heissen Johann?) Gutenberger, gebürtig