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Einfassungen.
die erste Hälfte unseres Jahrhunderts noch wenig Fortschritte, die
Einfassungen blieben so ziemlich die alten Röschen und die Schrift-
giesserei von C. Töpfer & Kahle in Weimar hatte 1838 sogar die
Geschmacklosigkeit, Einfassungen zu erzeugen, welche aus Brust¬
bildern römischer und deutscher Soldaten (letztere mit den bekannten
unschönen Tschakos) gebildet waren. In den Fünfziger-Jahren kamen
die Phantasieeinfassungen auf, welche, auf einer beschränkten Anzahl
von Theilzugen beruhend, dem Talente des Setzers reiche Gelegenheit
oten, geschmackvolle und phantasiereiche Einfassungen in wechseln¬
den Formen aufzubauen. Hieran schlossen sich Ornamente, bestehend
aus Federzügen und Rankenformen, welche theils zur Umrahmung
von Hauptzeilen, theils in Verbindung mit Linien zu Einfassungen
dienten. Von dieser Zeit an datirt die Kunst des Accidenzsatzes.
Unter den Schriftschneidern, welche sich auf diesem Felde aus¬
zeichneten, ist vor allem Charles Derriey zu nennen, der in seinem
Specimen-Album zugleich mit seinen Proben auch eine Schule für
Setzer und Drucker geliefert hat. Viele von seinen Einfassungen sind
fur den Farbendruck berechnet und daher in mehrfacher Weise vor¬
handen. Tafel XII zeigt einen Titel aus diesem Album mit einer zwei-
arbigen Einfassung, welche durch die beigefügten rothen und blauen
Limen gehoben wird, mit seinen Zierschriften und seinen Traits de plume
oder Schreiberzügen, welche übrigens in Bezug auf praktische Ver¬
wendbarkeit nicht den Erwartungen entsprachen. Es ging mit ihnen,
we es oft mit den Vorlagen der Schriftschneider geht, sie entzückten
einzeln und in gewählten Beispielen das Auge, aber im täglichen
erkehr gibt es nicht viele Arbeiten, welche die tändelnde Verzierung
solcher Züge vertragen und als Eckstücke liefern sie selbst in Derrieys
Album nicht immer harmonische Bilder. Damit soll Derrieys Ruhme
nicht im mindesten zu nahe getreten werden; die Schule des feinen
Geschmacks, der glücklichen Farbenwahl und der Phantasie Verzierungen,
welche er mit seinem Album begründete, lebt noch fort, sie ist die
wahre Renaissance, eigentlich die unsterbliche Kunst, welche sich
immer verjüngend neue Schönheitsgebilde aus sich selbst erzeugt.
Blendete Ch. Derriey mit dem Reichthum seiner Ornamente, so
verstand dagegen der Schriftsetzer Karl Fasol in Wien mit den
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Titel von C. Derriey in Paris 1862.
(Chromo-lithögraphische Copie.)
Taf. XII.