'12 Entwicklung der Fractur.
Um Fälschungen vorzubeugen, wird auf Werthpapieren, Checks,
Anweisungen, Eintrittskarten u. dgl. der B.aum, welcher von der
Scheere durchschnitten wird, um den Coupon abzutrennen (Talon),
der Quere nach mit Schriften bedruckt, welche Talon- oder Juxta-
schriften heissen; Proben davon sind auf Seite 711 zusammengestellt.
Es mag wohl dem in den französischen Kriegen erwachten
Nationalitätseifer zuzuschreiben sein, dass in Deutschland die Ver¬
suche, die Fractur abzuschaffen, zu Anfang dieses Jahrhunderts ganz
©ic mannidjfaltigjic, uncrmübctjte Slijätigfcit ifl ein brittcr cparaU
tcriftifdicr Bug bcë SJicnfcpcn, ein brittcr ©runb feiner SBurbc. greitid)
ifi ЗКІеё in ber Statur in immcrroäijrcnber S3croegung ttnb Sßirffamfcit >
baê Scblofc tuie bad Scbcnbigc, bic tí)icrifd)c mie bie vernünftige Söclt
ab с bef gpi f f itnnop g rfêtuutu;rt)5 äöü d)d ftpfpllftfl 1234567890
Nr. 294. Fractur von \\ albaum. (Aus der Officin von F. A. Brockhaus in Leipzig.)
Statur! Sdir finb non it)r umgeben unb itmfd)luugeii,
unbermögenb, and ipv perauêjutreten, unb unnermögenb, tiefer
in fie pinein ju fommen. Ungebeten unb ungeinarnt nimmt
fie und in ben Umlauf ipreë Taged auf unb treibt fiep mit
und fort, bid mir ermübet finb unb iprcitt Urine entfallen.
«Sie fdjafft einig nette ©eftalten; tnad ba ift, mar ttod) nie;
Nr. 295. Fractur von Bauer. (Aus der BAUERSchen Giesserei in Frankfurt am Main.
©ie 23ud)bruderfunft nimmt unter ben ©rfinbungen bed tnenfd)lid)eit
©eifted bttrd) ben großen ©influì meldten fie auf bie ©ultur unb bie
gortfdjritte ber SOtenfd)i)eit audgeübt l)at, eine ber pöcpften Steden ein.
Sie begrünbet mit 9ïecf)t eine ©росре in ber 2Beítgefd)tcpte. fftacpbetu
man fid) gegen bad jtneite ißiertel bed fünfzehnten 3al)rl)itnbertd ber
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Nr. 296. Fractur von Krebs. (Aus (1er KnEusscheii Giesserei in Frankfurt am Main.)
aufgegeben wurden. Um diese Zeit gelang auch Walbaum, was Unger
und Breitkopf vergeblich angestrebt hatten, der Fractur eine gefällige
Form und damit den Anstoss zu einer weiteren Pflege derselben zu
geben. Vielleicht reussirte Walbaum gerade dadurch, dass er keine
Anlehnung an die Antiqua versuchte, sondern die Schrift schlank und
scharfkantig, wie zur Zeit des Theuerdank herstellte. Nr. 294 gibt eine
Probe seiner Schrift, die jetzt wohl als veraltet gilt, aber seinerzeit
Entwicklung der Fractur.
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allgemein beliebt war. Auf Walbaum folgte Dresler in Frankfurt am
Main, von welchem die damals königliche Druckerei in Paris 1836 eine
Garnitur Fractur ankaufte, ferner J. Ch. Bauer, welcher im Jahre 1852
seine erste Fractur schnitt und von dessen dritter und letzter Garnitur
Nr. 295 eine Probe gibt. Nr. 296 gibt eine Probe der beliebten Fractur
von Krebs, Nr. 297 eine solche von May aus der Schriftgiesserei von
C. J. Ludwig in Frankfurt am Main, Nr. 298 eine Probe der Schelter
& GiESECKEschen Schriftgiesserei und Nr. 299 eine solche von Flinsch
in Frankfurt am Main.
©ie groffett Slnforbetuttgen, roeldje bie Septgeit an ©hbung uitb
ba§ SBiffeit eineä jebeit ©injeitieu ftetit, bebittgett eitt frü^geittgeä ttnb
regeä ©tubium auf alien ©ebieteit ber SBiffenfdjaft. Unfeve Зи9ецЬ
ift beffpalb geuötpigt, fid) nicht nur früher, fottbern auch anpaltenber
unb angeftrengter geiftig ju befepäftigen, al§ ttnfere ЗЗофрѵеи bie§ tpuit
mußten, oou roeldjeu nur ein ileitter ©peil att§ eigenem Slntvieb fid)
Nr. 297. Fractur von May. (Aus der Giesserei von G. ,T. Ludwig in Frankfurt am Main.)
©leid) bem Slßunberftabe äBofiä, ber aitä beut ftarrett geifert Duellen
fjerborfprubeln lief), trat bie 93uc£)brucfcrhtnft, ein marmer Sebcnáqiteíl
an baê Stcfjt, unb alle Sauber, alle ©efilbe, mo()in nur ber gufi beâ
9Jíettfd)en bringt, burcpfíutete fie, ein SBunberhortt, unb ma§ in ber
©tille be§ ©ingeíneit, in betn 9Serhorgenften feineá ©ciftc§ entfpruitgeu,
flutete fie empor uttb trieb c§ mit iíjren SBelíen burd) bie gauge SBcít.
Nr. 298. Fractur aus der Schriftgiesserei von Scheltèr & Giesecke in Leipzig.)
©aS Sud) ber Statur liegt feit Baprtaufcnbett aufgefchlagett bor bem
Slide beS ÜUtenfcfjen. ©3 ift itt grofjen unb herrlichen Bügen ge=
fcfjrteben, c3 enthält baS äöunbcrhare unb ba3 Stütjlicpc, unb neben
bem ©tängenben hat aud) bas Unfcpeinbare feine Sebeutung uttb feine
©teile. 3u allen Beiten uttb aller Drten tjat ber SJtcnfd) bie ©pradje
ber Statur gtt berftepen gefudjt. ©aufenbe haben biefclbe befjpalb nicht
Nr. 299. Fractur aus der Schriftgiesserei von Flinsch in Frankfurt am Main.
Wie für die Antiqua, so wurden auch für die Fractur Auszeich¬
nungsschriften geschnitten. Im Jahre 1834- schnitt Krumweide eine
fette Fractur nach dem Muster der aus England importirten fetten
Antiqua; früher schon hatte die ebenfalls aus England importale
Gothisch die Schwabacher verdrängt und es wurden mitunter Gedichte
ganz aus Gothisch gesetzt. Halbfette Petit-Fractur schnitt J. G. Seyfarth
in Weimar 1841 und bald darauf F. Kistner für die Schriftgiesserei