704
Auszeichnungsschriften.
Ueber den Geschmack lässt sich nicht streiten, alle Kunst und
Geschicklichkeit unserer Stempelschneider vermag aber nicht zu
hindern, dass wir es hier mit nichts anderem als einer „Imitation“ zu
thun haben und daher ist auch zu erwarten, dass das künstlerische
Selbstbewusstsein sich schliesslich dagegen sträuben wird, nachzu¬
ahmen, wo es selbst schaffen kann. Hier sei nur die Thatsache con-
statirt, dass diese Imitation des XVI. Jahrhunderts in Titeln und
Uebersehriften eine arge Geschmacklosigkeit hervorgerufen hat, man
hat bereits angefangen, die Sonderung des Titels in Zeilen aufzugeben
und den Inhalt des Buches in Cursivschrift fortlaufend zu setzen!
Und doch sind gerade die Auszeichnungsschriften eine Er¬
rungenschaft des XIX. Jahrhunderts. Früher waren nur Antiqua und
Gursiv im Gebrauch, daneben einige wenige verzierte Initiale. Es ist
bereits obenerwähnt, dass die Engländer zu Anfang dieses Jahrhunderts
die Schrift eines Kegels mit verschieden starken Grundstrichen aus-
Wiener Buchdruckereien und Schriftglessereien.
Nr. 282. Clarendon. (Aus der Schriftgiesserei von Brendler & Marklowsky.)
führten; während aber die halbfette Schrift Brodschrift wurde, blieben
die fetten Schriften Auszeichnungsschriften. Als solche führte sie
Hänel in Deutschland ein, sie wurden auch in der ANDRÄschen Officili
in Frankfurt am Main, bei Genzsch & Heyse in Hamburg und von
Trennert in Altona gegossen. Neben diesen fetten Schriften hatten
die Engländer Schriften geschnitten, bei denen auch der Harstrich fett
war, sie kommen in den Schriftproben von Caslon als „Antique“ vor,
später erhielten sie die Namen „Egyptienne“, „Tuscain“, „Grotesque“
und „Steinschrift“, um ebensoviel Modificationen zu bezeichnen und
diese wurden in neuerer Zeit noch beträchtlich vermehrt, z. B. durch
die „Clarendon“, die magerste dieser Schriftarten, von welcher Nr. 282
eine Probe gibt.
Seite 705 enthält eine Zusammenstellung einiger Antiqua-
Auszeichnungsschriften aus dem Typenschatze der k. k. Hof- und
Staatsdruckerei in Wien, welche, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu
machen, doch eine sehr reiche Auswahl enthält. Zu den Proben ist der
gleiche Text gewählt worden, um zu zeigen, wie eine und dieselbe
Antiqua- Auszeichnungsschriften.
705
Schmale Skelet.
Gewerbe, Kunst und Wissenschaft
Breite Antiqua.
Kunst und Wissenschaft
Schmale Antiqua.
Kunst und Wissenschaft
Neue fette Antiqua.
Kunst und Wissenschaft
Aldine.
Kunst und Wissenschaft
Italienne.
Wissenschaft
Halbfette Antiqua.
Wissenschaft
Magere Grotesque.
Wissenschaft
Enge Antiqua.
Breite fette Antiqua.
ЖЯИ»«ЖЖ_
Breite halbfette Antiqua.
VVTssenschaft
Schmale Egyptienne.
Kunst und Wissenschaft
Egyptienne.
Kunst und Wissenschaft
Mediae val-Schwanzschrift.
JÍUNST und ^Wissenschaft
Skelet.
Kunst und Wissenschaft
Halbfette Mediaeval.
Kunst und Wissenschaft
Schmale halbfette Antiqua.
Kunst und Wissenschaft
Fette Antiqua.
Kunst nud Wissenschaft
Egyptienne.
Kunst und Wissenschaft
Magere Egyptienne.
Wissenschaft
Schmale Egyptienne.
Wissenschaft
Halbfette Grotesque.
Wissen
Enge Egyptienne.
Knnst li Wissenschaft
Breite Egyptienne.
Wissensclxaft
Breite Aldine.
Wissenschaft
Grotesque.
Kunst und Wissenschaft
Breite Antiqua.
Kunst und Wissenschaft
Halbfette Antiqua.
Kunst und Wissenschaft
Nr. 283. Antiqua-Auszeichnungsschriften der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien.
Faulmann, Gesch. d. Buchdruckerkunst.
45