702
Moderne Antiqua.
eine Probe der Antiquatypen топ Schelter í¿ Giesecke in Leipzig
(vgl. S. 572), eine Probe der Englischen Antiqua und Cursiv von Flinsch
in Frankfurt am Main, welche einen mageren Charakter hat, aber wegen
ihrer breiten Form doch deutlich und angenehm ist, und eine Antiqua
von Karl Brendler in Wien.
Die Elie ist das heiligste und engste Btind-
niss, welches Menschen mit Menschen auf Erden
schliessen können, in ihr liegt auch zugleich die
edelste Versiissung des Lehens. Hier bewirken
Liebe und gegenseitige Zuneigung, oder auch Ge-
Nr. 276. Antiqua von Bauer. (Aus der BAUERschen Giesserei in Frankfurt am Main.)
Wodurch ist Gutenberg gross? Nicht durch seine Idee, — sie
war ohnehin im Siegel und im Holzschnitte ihrem Wesen nach
längst gegeben; auch nicht durch seine Thätigkeit, — sie war nur
kleinliche Handarbeit. Er ist es durch die Klarheit, mit welcher
er seinen Beruf erkannte und durch die weise Selbstbeschränkung
und die treue Beharrlichkeit, mit welcher er denselben verfolgte.
Nr. 277. Antiqua aus der Schriftgiesserei von Schelter & Giesecke in Leipzig.
Das Buch der Natur liegt seit Jahrtausenden aufgeschlagen
vor dem Blicke des Menschen. Es ist in grossen und herrlichen
Zügen geschrieben, es enthält das Wunderbare und das Nütz¬
liche, und neben dem Glänzenden hat auch das 'Unscheinbare
seine Bedeutung und seine Stelle. Zu allen Zeiten und aller
Orten hat der Mensch die Sprache der Natur zu verstehen
Nr. 278. Englische Antiqua aus der Schriftgiesserei von Flinsch in Frankfurt am Main.
Die unbegrenzte Dankbarkeit, welche jeder gebildete und
denkende, in europäischer Cultur erzogene Mensch dem Erfinder
der Buchdruckerkunst schuldet, mischt sieh mit der Bewunderung
ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ
abcdefghijklmnopqrstuvwxyz
Nr. 279. Antiqua von Karl Brendler. (Schriftgiesserei von Brendler & Marklowsky in Wien.)
Kaum war die Harmonie zur Herrschaft gelangt, als eine Reaction
sich bemerkbar machte; dieselbe ging von Frankreich aus, wo Jules
Glaye Schriften imDuctus des XVII.und XVIII. Jahrhunderts schneiden
liess; ihm folgte Louis Perrin, der ganze Werke in altvaterischer Schrift
druckte. Glaubte noch im Jahre 1862 die Ausstellungsjury die Frage
Mediaeval.
703
der Eignung (convenance) dieser Schriften nicht unbedingt bejahen zu
können, so ist seither diese Frage zu Gunsten der Reaction entschieden.
Kunsthistoriker, welche ihr mangelndes Kunstverständniss durch die
Früchte ihrer Gelehrsamkeit zu verdecken suchen, haben sich für diese
„Renaissance“ begeistert und mit Bedauern sieht sich der Buchdrucker
genöthigt, von Buchhändlern und Autoren gedrängt, Schriften anzu¬
schaffen, welche seinem Geschmack nicht entsprechen.
In Deutschland hatte zuerst J. Gh. Bauer im Jahre 1860 eine
„Tertia Kirchenschrift“ geschnitten, welche dieser Richtung huldigte,
er fand jedoch damals so viele Opposition, dass er den Schnitt der
anderen Grade unterliess. Bald darauf führten jedoch Genzsch & Heyse
Die unbegrenzte Dankbarkeit, welche jeder gebildete und
denkende, in europäischer Cultur erzogene Mensch dem Erfinder
derBuchdruckerkunst schuldet, mischt sich mit derBewunderung
der finnreichen und mühevollen Erfindung, welche nur der
ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ
abcdefghijklmnopqrs t uvwxyî1234567890
Nr. 280. Mediaeval-Antiqua. (Typen der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien.)
Die unbegrenzte Dankbarkeit, welche jeder gebildete und
denkende, in europäifcher Cultur erzogene Menfch dem Erfinder
der Buchdruckerkunfi fchuldet, mifcht fielt mit der Bewunderung
der finnreichen und mühevollen Erfindting, welche nur der Fach-
ABCDEFGHIJ IC L M NO PQRSTUV W X F Z
a b с d e f g h i j k l m n оp q r f stuvw x yß 123 pp 6 7 8 p о
Nr. 281. Mediaeval-Gursiv. (Typen der k. k. Hof- und .Staatsdruckerei in Wien.)
den Schnitt einer Mediaeval-Antiqua und Cursiv durch und hatten
Erfolg. Nr. 280 und 281 geben Proben dieser Schrift, deren Vorbilder
der Leser auf Seite 276 und 277 kennen gelernt. Wie gewaltig sich in
manchen Kreisen der Geschmack verändert hat, beweist der Umstand,
dass Fr. Pustet in Augsburg in der BAUERschen Giesserei auf seine
Kosten die von Bauer 1860 geschnittene Kirchenschrift nunmehr in
allen Graden ausführen lässt und selbst die Prophezeiung des „Journals
für Buchdruckerkunst“ (1862), dass man in diesem Rückschritt auch
auf die ursprüngliche gothische Schrift zurückkommen werde, ist in
Erfüllung gegangen: Dr. MaxHuttler in München druckt mit Sciiöffer-
schen Psaltertypen.