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Der Schriftgiesser.
eckiges oder längliches Loch schneiden, so gross, dass das, was darin
geformt werden soll, rings umher noch einen Secundakegel Platz übrig
lässt, dann wird an der einen Seite ein Guss eingeschnitten, einen Petit¬
oder Corpus-Kegel tief.
„Formsand besteht aus gebranntem Backofenlehm, je röther,
je besser, sehr klar gestossen und durch kleine feine Siebe gesiebt,
wird mit Bier angerührt.“
Abgeformt wurden, wie mir scheint, grosse Buchstaben, Initiale
und wahrscheinlich auch Holzschnitte, ich habe solche Initiale
namentlichin Schöffehs Sach¬
sen-Chronik gefunden, welche
alle dieselben Lücken hatten,
aber wegen ihres häufigen
Vorkommens kaum von Einem
Holzstock abgedruckt sein
konnten, die Züge waren grob
und roh. Abgegossen werden
kleine Lettern worden sein,
ob im Anfang auch Rothguss
verwendet worden ist, kann
man nicht sagen, Bernard hat
die Buchstaben eines Wortes
in Gutenbergschrift vomRotli-
giesser anfertigen lassen und
sie gleichen den Lettern der
42zeiligen Bibel.46 Leider hat
Ammann denRothgiesser nicht
beim Guss, sondern beim Feilen abgebildet, dagegen bietet sein Schrift¬
giesser viel Interessantes, wie Nr. 20 zeigt.
Auf den Bretern an der Wand stehen Giésszeuge, Schmelztiegel
und Siebe zum Formsand, der Ofen ist von der einfachsten Con¬
struction, das Giesszeug ist eine Büchse ohne die jetzt gebräuchlichen
Flaken, mit denen man den gegossenen Buchstaben herausreisst und ohne
die Feder, welche die Matrizen unten hält; der Schriftgiesser scheint
diese mit der Hand zu halten. Die Buchstaben, welche unten am Boden
Nr. 20. Der Schriftgiesser. Holzschnitt von Jobst
Ammann. (Aus Schoppers Паѵо-Xta 15680
Geschlagene Matrizen.
in einem Korbe liegen, haben sehr lange Ausgüsse und ihnen ent¬
sprechend ist auch die Giessbüchse sehr hoch, wodurch und mittelst
eines kräftigen Schwunges mit der Hand das Metall kräftig in die
Matrize fliessen sollte, um dieselbe in den feinsten Theilen gut auszu¬
füllen. Die Giessbüchse hat ein Loch, in welchem wahrscheinlich der
Eisendraht lag, der wohl auch zum Herausreissen des Buchstabens
diente. Der gerade Fuss am Buchstaben auf Nr. IG beweist, dass der
Auslauf nicht, wie jetzt, abgebrochen, sondern wie noch jetzt bei den
Clichés, abgesägt wurde. Nun stelle man sich vor, dass die Bleimatrizen
bei jedem Guss ausgepinselt und mit feinem Kohlenstaub oder Bimstein,
welcher sich in einem Beutel befand, eingestaubt werden mussten, damit
sich das gegossene Metall nicht mit der Matrize verbinde, dass ferner
die Bleimatrizen kaum sechzig gute Güsse gestatteten und dann aus¬
gewechselt werden mussten, so wird man begreifen, dass das Giessen
sehr langsam von statten ging und gegenüber dem Buchstabenschnitzen
nicht viel Vortheil bot.
Wenn Schöffer, wie der Gewährsmann aus dem XVII. Jahr¬
hundert erzählt, auf den Gedanken gerieth, Punzen von Stahl zu
schneiden und in kupferne Matrizen zu schlagen, so hat er die Schrift-
giesserei nicht erfunden, wohl aber, wie Trithemius sagt, dieselbe
erleichtert, und so, wie sie nun ist, vollendet (faciliorem modum fun-
dendi characteres excogitavit, et artem, ut nunc est, complevit). Durch diese
neue Methode fiel das langsame Verfahren bei Bleimatrizen fort, die
Buchstaben wurden schärfer im Ausdruck und in den Umrissen. Nur
für Schriften, von denen man keine Stahlstempel besass, wurden Blei¬
matrizen fortgeführt, und wie oben bemerkt, für einzelne Titelzeilen
noch Holzbuchstaben verwendet, denn Stempel und Matrizen waren
theuer, dieRipoli-Druckerei kaufte 1478 von demGoldschmidBENVENUTO
Punzen von drei Güssen, wovon zwei Antiqua und eine Gothisch, für
110 Lire und zahlte dem Joi-iann Peters aus Mainz 1477 10 Goldgulden
für die Matrizen einer römischen Schrift.
Trotz dieser Verbesserung fiel der Guss wegen des primitiven
Giesszeuges noch immer mangelhaft aus. Bernard erzählt, dass ihm
M. de Berny ein in seiner Giesserei befindliches altes Giesszeug gezeigt
habe, es bestand aus zwei Winkelstücken, welche, indem man sie ver-
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