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Geschichte der Papierstereotypie.
der Guss Platten liefert, welche genau in der Form des Segments des
Cylinders gebogen sind. Der Preis der Matrizen und Platten der Papier¬
stereotypie wird nach Kreuzern oder Pfennigen berechnet. Zeitungen
werden seither nicht mehr vom Satze, sondern nur von Stereotypen
gedruckt, und dadurch die Lettern geschont.
Obgleich die Papierstereotypie Wunderbares an Schnelligkeit,
Billigkeit und Schönheit der Platten leistet, hat es doch langer Zeit
bedurft, bis dieselbe sich die allgemeine Anerkennung erwarb; ein
Beweis, dass das Gute nicht immer gleich erkannt wird. Genoux
verkaufte sein Patent an seinen Chef Rusaud , von dem es an J. A.
Pelagaud überging. Genoux wandte sich hierauf nach Deutschland,
um hier seine Erfindung zu verkaufen. Dinglers Journal meldete 1834:
„Herr Genoux, französischer Buchdrucker, hat unlängst in Wien eine
Probe eines neuen Verfahrens beim Druck mit stehenden Schriften
(Stéréotypie), deren Erfinder er ist, abgelegt. Nachdem Herr Genoux in
einem nach seiner Erfindung bereiteten Stoffe, von ihm Flan genannt,
von der Gestalt und Dicke eines Papierdeckels, den Abdruck eines mit
Lettern aus der Karl GEROLDschen Druckerei componirten Satzes
gemacht und solchergestalt eine Matrize gebildet hatte, goss er in
dieses, dem Anscheine nach so schwache Modell eine Metällplatte von
der Dicke eines Zweiguldenstückes, welche den in dem Flan abgedruck¬
ten Satz in grösster Reinlichkeit und Präcision en relief darstellte.“
In demselben Jahre byachte George Jacquet, Besitzer der Hofbuch¬
druckerei in München, das Verfahren käuflich an sich, und erbot sich
im „Journal für Buchdruckerkunst“, dasselbe den Buchdruckern gegen
Honorar mitzutheilen. Allein erst zur Zeit des Krimkrieges, als die
Times die Papierstereotypie zum Drucke ihrer Zeitungen einführte,
wurde man auf dieselbe aufmerksam, und von nun an verbreitete sie
sich schnell in allen Druckereien und wird jetzt zu den verschiedensten
Arbeiten verwendet.
Es ist oben (S. 614) der Sorgfalt gedacht worden, welche die
Schriftgiesser der Herstellung eines dauerhaften Schriftmetalles
widmen ; aber auch dieses hat seine Grenzen, welche mit den riesigen
Auflagen nunmehr auf der Schnellpresse hergestellter Drucksachen nicht
übereinstimmen. Man hat daher versucht, Kupfertypen herzustellen
Galvanischer Ueberzug der Stereotypplatten. Celluloid.
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und die „Geschichte der k. k. Hof-und Staatsdruckerei“ (1851) enthält
Abbildungen von zwei Maschinen zur Erzeugung von Kupfertypen.
Eine bequemere Erhärtung des Schriftmetalles bietet jedoch der galva¬
nische Ueberzug mit Kupfer, Messing oder Eiseu. Eine kurze Zeit
genügt, um eine Stereotypplatte, welche in den galvanoplastischen
Apparat eingelegt wird, mit einem Kupferüberzug zu versehen. Der
Unterschied zwischen Kupfer und Schriftmetall ist so gross, dass ein
von mir nach Königsberg geliefertes Cliché eines stenographischen
Inserats auf der Presse der dortigen Zeitung bis zur Unleserlichkeit
zerquetscht wurde, während dasselbe, mit einem Kupferüberzug ver¬
sehen, scharf und rein gedruckt war. Dauerhafter noch als Kupfer ist
Messing, am ausdauerndsten der von dem russischen Ingenieur Eugen
Klein erfundene Ueberzug mit Eisen, der auch für Kupferplatten ver¬
wendet wird, wesshalb man von verstählten Platten gesprochen hat.
Durch Elektricität aufgelöstes Eisen kann auch die Kupferplatte ganz
ersetzen und zur Herstellung von reinen Eisenplatten benützt werden,
wie dies in dei k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien geschieht
Ein anderes Material, welches zur Erzeugung von Druckplatten
verwendet wird, ist das Celluloid (Zellhorn), ein aus Schiessbaumwolle
und Kampher gewonnenes Fabrikat, welches zu vielerlei Imitationen
(Malachit, Bernstein, Korallen, Ebenholz etc.) mit gutem Erfolg ver¬
wendet worden ist; es ist hart, biegsam, elastisch, entzündet sich aber
bei Erhitzung auf 140 Grad Celsius. Lucian Marc, Director des Pariser
Journals „Illustration“, wendete sich in seinem Streben, ein Mittel zur
rascheren Herstellung von Druckplatten, als es auf galvanoplastischem
Wege möglich war, auch um die Clichés ohne die schwierige und
manchmal gefährliche Procedur des Biegens sofort auf der Rotations-
maschine verwenden zu können, dem Celluloid zu und verband sich zu
diesem Zwecke mit Jeannin. Ihr Verfahren besteht darin, dass sie die
Matrize aus einem metallischen, mitOel versetzten Teige bilden, welcher
•die Eigenschaft hat, in der Wärme rasch zu erhärten. Die gewünschte
Härte erzielt man auf einer bis 120 Grad Celsius erhitzten gusseisernen
Platte, während man gleichzeitig vermittelst der Hitze mit dem Celluloid
zu dem entgegengesetzten Resultate gelangt, d. h. es weich macht.
Ist dies bis zum erforderlichen Grade geschehet, so setzt man beides
Faulmann, Gesch. d. Buchdruckerkunst. * '
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