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Clichémaschine. Linien. Gypsstereotypie.
erhalten werden können. Die Construction des Matrizenkastens, die
Schleif- und Fertigmacha.pparate sind so einfach und zugänglich, dass
ein gelernter Giesser in acht bis zehn Tagen daran arbeiten kann. Der
Betrieb kann sowohl mit Dampfkraft als mit der Hand geschehen. Die
Maschine soll 40.000—50.000Lettern perTag liefern, undkostet sammt
einem Instrument 5000 Mark, jedes weitere Instrument 500 Mark.
Zum Guss von grösseren Körpern wird die Clichémaschine ver¬
wendet. Die Linien werden auf Linienziehbänken in beliebiger Länge,
kleinere meist aus Messing in systematischer Abstufung hergestellt.
Die Stereotypie wurde 1804 durch ein von Lord Stanhope, in
Verbindung mit den Londoner Buchdruckern Tilloch und Wilson 19,i
hergestelltes Gypsverfahren verbessert. Die zu stereotypirende Schrift
muss mit hoher Ausschliessung gesetzt sein, da der Gyps sonst in den
Vertiefungen hängen bleiben würde; auch muss die abzuformende
Columne mit Oel bestrichen sein, damit sich die Matrize leichter ablöse.
Feiner, gesiebter, gut gebrannter, frischer Alabastergyps, durch Zusatz
von Brunnenwasser flüssig gemacht, wird auf die Columne ausgegossen,
nachdem die Matrize hart geworden ist, behutsam mittelst zweier Eisen
abgehoben, beschnitten, hierauf in einem Ofen getrocknet, und dann
in eine Pfanne gelegt, welche mittelst eines Krahns in den Giesskessel
gesenkt wird. Diese Pfanne hat Luftlöcher, um die Entweichung der
Luft zu ermöglichen. Der Druck des mit Gewalt einströmenden Metalls
bewirkt einen scharfen Abguss der Form. Schliesslich wird die Pfanne
abgekühlt, die Matrize herausgeschlagen und die Platte bestossen.
Diese Stereotypie hat den Uebelstand, dass die hohe Ausschliessung
nicht allgemein angewendet werden kann, da sie leicht von der Farb¬
walze erreicht, in die Höhe gezogen und als „Spiesse“ mit abgedruckt
würde, somit kann nicht jeder beliebige, sondern nur der eigens zu
diesem Zwecke gesetzte Satz stereotypirt werden, auch wirkt die Ein¬
ölung der Typen beim Ablegen sehr störend, indem die Typen glitschig
werden, den Staub leichter annehmen und zusammenkleben; da aber
dieses Verfahren von den früheren Methoden sich durch Billigkeit,
leichte Handhabung und reine Platten auszeichnete, fand es in den
Druckereien allgemein Eingang und fortan wurden alle Werke, welche
eine neue Auflage in sichere Aussicht stellten, stereotypirt.
Papierstereotypie.
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Kaum hatte sich diese Methode eingebürgert, als eine neue Er¬
findung auf diesem Gebiete gemacht wurde. Im Jahre 1829 nahm der
Schriftsetzer Genoux zu Lyon ein Privilegium auf eine von ihm erfun¬
dene Papierstereotypie, welche darin bestand, dass statt des Gypses
mehrere Bogen Seidenpapier mittelst einer Art Kleister (Paste) zusam¬
mengeklebt werden, diese Masse auf die zu stereotypirende Form gelegt
und mit einer Bürste auf die Schrift eingeklopft wird in der Art, wie
Correcturabzüge mittelst der Bürste hergestellt werden. Da die zu¬
sammenklebenden Bogen eine feste Masse bilden, welche nur so tief in
die leeren Räume zwischen den Wörtern und den Zeilen dringt, dass
die Schrift auf der Rückseite der Papier-
matrize erhaben erscheint, so kann
jeder Satz mit niedriger Ausschliessung
stereotypirt werden. Zum Guss der
Platten wird eine Giessflasche verwen¬
det, welche in eine vertikale Lage ge¬
bracht wird, so dass das Metall, von
oben hineingegossen, über die Matrize
bis zu dem unten befindlichen Winkel
hinabfliesst. Die Matrize erhält nur
eine bräunliche Färbung, kann zu meh¬
reren Abgüssen verwendet und jahre¬
lang aufbewahrt werden. Nr. 213 zeigt
eine solche Giessflasche für Papier¬
stereotypie in der Stellung, in welcher
der Einguss erfolgt. Nach erfolgtem Einguss wird das Instrument
geöffnet, die Platte herausgenommen und bestossen. Das Abklopfen
der Papiermatrize auf dem Satze, das Trocknen, Giessen und Fertig¬
machen der Platten nimmt bei Zeitungen wenige Minuten in Anspruch,
in Zeit von einer Viertelstunde werden von den vier Seiten des Abend¬
blattes der „Neuen Freien Presse“ je vier Platten druckfertig hergestellt.
Da die Rotationsmaschinen nicht von horizontalem Satze drucken,
sondern von runden Platten, welche auf einem Cylinder befestigt sind,
so hat das Giessinstrument für solche Platten eine viertelrunde Form,
in welche die getrocknete Papiermatrize hineingebogen wird, so dass
Nr. 213. Gussinstrument fttr die Papier¬
stereotypie. (Nach dem Originalcliché von
A. HoGENFORST.)