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Handg'uss. Erfindung der Giessmaschine.
die Matrize wird mittelst einer Feder festgehalten, damit sie leicht von
dem Buchstaben befreit werden kann; soll der Guss gemacht werden,
so müssen die beiden Theile des Instruments mit beiden Händen
ergriffen und zusammengelegt werden, worauf sie mit der linken Hand
gehalten werden, dann muss die Feder mit der rechten Hand in die
Matrize eingesetzt werden, um diese festzuhalten, hierauf wird mit der
rechten Hand mittelst eines Löffels das Metall in die Mündung des
Instrumentes gegossen, während der Giesser mit der linken Hand dem
Instrumente einen Ruck zu sich und abwärts, sofort aber wieder eine
schnelle Bewegung nach vorne gibt, um zuerst die Füllung des Instru¬
ments zu befördern und dann das überflüssige Metall zurückzuschleu¬
dern, hierauf wird der Löffel weggelegt, die Feder ausgehoben, die
Mater mit einem Druck nach oben frei gemacht, das Instrument geöffnet
und die Type mittelst des Hakens herausgerissen. Diese Bewegungen
werden von einem geschickten Giesser in neun Tempi ausgeführt und
auf diese Weise täglich 3000 bis 7000 Stück gegossen, also in der
Minute 5 bis 11 Typen.
Alle diese Vorrichtungen durch die Giessmaschine ausführen
zu lassen, war das Problem, welches im Laufe des XIX. Jahrhunderts
gelöst worden ist, ein Triumph des menschlichen Geistes, der unsere
vollste Bewunderung erregt. Der erste Versuch wurde durch William
Wing aus Hartfort in Connecticut in Amerika im Vereine mit Elihu
White 1805 gemacht, derselbe scheint nicht gelungen zu sein; aber
White liess sich nicht abschrecken, er fand in William M. Johnson
aus Hempstead auf Long-Island einen fähigen Mann, der 1828 eine
Maschine erbaute, und im Jahre 1838 protegirte White abermals eine
Giessmaschine der Herren Mann & Sturdevant, und wenn alle diese
Versuche nicht von dem gehofften Erfolge begleitet waren, so verdienen
doch die Männer in der Geschichte verzeichnet zu werden, welche
diese überaus schwierige Aufgabe zu lösen versuchten, insbesondere
aber die Opferwilligkeit und Ausdauer Whites unsere Anerkennung.
Im Jahre 1838 erfand David Brdce in Newyork eine Giessmaschine, die
sich praktisch bewährte, 1841 verkaufte dieser sein Patent an seinen
Onkel Bruce, welcher, da die Schriftgiesser der Erfindung nicht günstig
gesinnt waren, einen Schlossergesellen, Brandt, einen gebornen
Einführung der Giessmaschine in Deutschland.
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Dänen, zum Bau der Maschine verwendete. Dieser führte die Giess¬
maschine in Deutschland ein und gab sich für den Erfinder derselben
aus, was von Bruce in einem Briefe an den Rédacteur des „Journals
für Buchdruckerkunst“, dem wir auch obige Daten entnommen haben,
entschieden bestritten wurde. Bruce weist darauf hin, dass Brandt
als Schlosser keine Kenntniss vom Schriftgiessen besessen habe und
nur drei Jahre lang mit einem Wochenlohne von 10 Dollar verwendet
worden sei, was allerdings kein Erfinderhonorar war, endlich beruft
sich Bruce darauf, dass die Giessereien von Flinsch und Bauer in
I* rankfurt ihre Giessmaschinen von ihm bezogen haben, wonach Brandt
nicht einmal als Verbesserer der Maschine gelten kann. Hiemit steht
im Einklänge, dass in einem Schreiben an den Verfasser dieses Buches
die BAUERsche Giesserei ihrem Begründer die Einführung der Giess¬
maschinen in Deutschland vindicirt, während Brandt im Jahre 1871
selbst zugestand, dass er bei seinem Eintritt in das BRUCESche Geschäft
die Giessmaschine bereits vorgefunden habe, die er aber verbessert
und tauglich gemacht haben will. Brandt führte die Maschine 1845
bei Hänel in Berlin und bei Genzsch & PIeyse in Hamburg ein, einer der
beiden Gehilfen, mit denen er arbeitete, Möller, gleichfalls ein Däne,
führte sie bei Brockhaus in Leipzig ein; Hänel, der ein Patent für
Preussen erworben hatte, trat mit Haases Söhne in Prag in Verbindung,
welche ein österreichisches Patent erwirkten, und so wurden die Giess¬
maschinen fast gleichzeitig in Frankfurt, Berlin, Hamburg; Leipzig und
Piag eingeführt. Amerika und Deutschland waren die ersten Länder,
in denen die Giessmaschinen zur Anwendung kamen, Frankreich und
England zögerten lange, sich derselben zu bedienen, im Jahre 1851
verwendeten sie dieselben noch nicht.195
Seit ihrer Einführung in Deutschland hat die Giessmaschine
mannigfache Verbesserungen erfahren, die „Geschichte der k. k. Hof-
und Staatsdruckerei“ (1851) enthält Abbildungen von drei verschie¬
denen Giessmaschinen, welche sämmtlich von der jetzigen Form
(Nr. 211) derselben verschieden sind. Alle diese Veränderungen, unter
denen namentlich der von dem berühmten Stempelschneider Kisch in
Berlin hergestellte Materschluss das meiste zur praktischen Ausführung
beigetragen hat, beschränkten sich jedoch nur darauf, Störungen im