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Schriftmetall. Polyamatypisches Instrument.
Die Erzeugung eines guten Schriftmetalls, welches nur durch
Mischung verschiedener Metalle möglich ist, hat die denkenden Schrift-
giesscr viel beschäftigt; die oben (S. 572—575) in den Notizen über die
Schriftgiessereien enthaltenen Andeutungen liefern dafür Beweise, und
es liegt dies in der Natur der Sache, denn je ausdauernder der gegos¬
sene Buchstabe ist, desto werthvoller ist er für den Buchdrucker, desto
beliebter wird die Ware der Schriftgiesser. Genaue Angaben über diese
Mischungen zu machen, ist unmöglich, da die Schriftgiessereien ihre
Recepte selbstverständlich als Geschäftsgeheimniss betrachten.
Um den Letternguss zu beschleunigen, erfand Henri Didot in
Paris ein Doppelgiessinstrument, auf welches er 1815 ein Patent nahm.
Marcellin-Legrand , sein Neffe und Nachfolger, verbesserte dieses
Verfahren 1824. Sein polyamatypisches Giessinstrument bildete ein
viereckiges, nicht allzulanges und aus mehreren Theilen zusammen¬
gesetztes Kästchen von nur geringer Tiefe, an dessen beiden langen
Seitenwänden die Matrizen an der Aussenseite befestigt waren, jedoch
nicht in horizontaler Lage, wie beim gewöhnlichen Giessinstrument,
sondern in vertikaler Richtung. An den Seitenwänden waren die den
Kegel der Buchstaben bildenden Oeffnungen angebracht, die genau mit
den davor befestigten Matrizen correspondirten ; in diese drang der Zeug
ein, sobald er in die eine Art Trog bildende Mitte des Instruments
gegossen wurde. Da dieses Eindringen bei der horizontalen Lage der
Formen jedoch nicht kräftig genug gewesen wäre, um dem Bilde der
Buchstaben die gehörige Schärfe zu verleihen, so war die Einrichtung
getroffen, dass, sobald der Guss geschehen war und ehe er noch
erkalten konnte, sich ein die Wölbung des Instruments fast aus¬
füllender Metallblock in dieses mit Nachdruck einsenkte und so den
flüssigen Zeug in die in den Seitenwänden befindlichen Löcher rasch
hineintrieb, worauf nur wenige Augenblicke erforderlich waren, um
die Masse erkalten zu lassen. War dies geschehen, so wurden die
beiden Seitenwände durch einen eigenen Mechanismus vom Rumpfe
getrennt, der jetzt allein stehen blieb mit allen so aus ihren Formen
herausgerissenen Lettern zu beiden Seiten, die dann durch eine andere
Vorrichtung abgebrochen wurden und in die für sie bestimmten E ächer
fielen. So konnten 250 Lettern und darüber mit einem Gusse
Giesspumpe. Handguss.
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ausgeführt werden, jedoch keine überhängenden Buchstaben, da diese
bei dem Entfernen der Seitenwände abgebrochen imd in den Formen
stecken geblieben wären oder wenigstens die überhängenden Theile
darin gelassen hätten. Der Gebrauch dieses Instruments blieb auf die
Giesserei Didots und seiner Nachfolger beschränkt.
Im „Journal für Buchdruckerkunst“ zeigte im Jahre 1844 der
Schriftgiesser E. A. Reichel in Kassel an, dass er sich schon seit
längerer Zeit einer Giesspumpe mit Vortheil beim Letternguss bediene,
die er durch wesentliche Verbesserungen dahin gebracht habe, dass
sie nun allen Anforderungen entspreche. Die Vortheile, welche damit
erreicht würden, beständen darin, dass man die kleinen oder grössere
schlecht fällende Charaktere mittelst des gewöhnlichen Giessinstruments
mit grösserer Leichtigkeit und Schnelligkeit, ohne besonderen Kunst¬
griff und mit einem scharfen und besseren Kegel als dies bisher mit
der Gliche möglich war, hersteilen könne. Der Guss von Zierschriften,
Einfassungen u. s. w. unterliege, mit diesem Instrument ausgeführt,
gar keiner Schwierigkeit mehr und werde das fatale Abklatschen
der schwierig zu giessenden Lettern, sowie das Abfällen derselben,
worüber die Buchdrucker mitunter Klage führten, total beseitigt. Er
lieferte die Giesspumpe zum Preise von 25 Thalern. In der That bot
die Giesspumpe so viele Vortheile, dass sie allgemein Eingang in den
Schriftgiessereien fand; inzwischen war aber schon eine wichtigere
Erfindung gemacht worden.
Das Giessinstrument war wohl durch Garamond, Fleischmann
und andere Schriftgiesser wesentlich verbessert worden, seine Wände
wurden von Stahl hergestellt, um den Körper der Type genau und
winkelrecht hersteilen zu können und dieses Stahlinstrument war zum
Schutze der Hand mit einem Holzmantel umgeben. Haken an dem¬
selben waren angebracht worden, um den Buchstaben leicht heraus-
zureissen, auch der Giessofen hatte wesentliche Verbesserungen er¬
fahren, welche sich auf vollkommenere Ausnützung des Brennmaterials
und besseren Abzug der Metalldämpfe bezogen. Aber das Giessen
selbst blieb mit grossem Zeitaufwand verbunden. Das Giessinstrument
besteht aus zwei Hälften, welche nach dem Gusse auseinander genom¬
men werden müssen, um den Buchstaben mittelst der Haken loszulösen,