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Contrapunzen. Typometer. Schrifthöhe.
niederer Preise bei solchen Schriften keine Rede sein kann, eher bei den
Zierschriften; und wenn sich bei diesen kleinere Geschäfte „wegen der
gedrückten Preise“ mit Nothpunzen behelfen, so wird dies nicht blos
in Deutschland, sondern auch überall der Fall sein. Es ist Sache der
Buchdruckereibesitzer, sich die Schriften ihrer Lieferanten gut anzu¬
sehen, da bei den jetzigen Fortschritten im Giessen gut geschnittene
Schriften zu billigen Preisen geliefert werden können.
Noch billiger würden die Bezugspreise der Lettern sich gestalten,
wenn die lang angestrebte Einheit des Kegels durchgeführt würde.
Gegenwärtig ist eine solche noch nicht vorhanden. Durch die Frank¬
furter Häuser ist das DmoTsche System in einem grossen Theile von
Deutschland eingeführt, aber das DmoTsche System beruht, wie oben
(S. 489) erwähnt wurde, auf einem alten, ausser Gebrauch gesetzten
Masse, und hierauf dürfte es auch beruhen, dass die einzelnen als
Didot oder Pariser bezeichneten Kegel mit einander nicht überein¬
stimmen. Im Jahre 1879 wurde von Berthold in Berlin mit Unter¬
stützung des Professors Förster ein Typometer hergestellt, welcher
30 Centimeter oder 133 Nonpareillezeilen oder 798 Punkte umfasste.
Dieser Typometer differirt um zwei Punkte von der Meterconcordanz
und ist jedenfalls dem Nonpareillesystem zu liebe geschaffen worden.
Nachdem aber das Metermass gegenwärtig in allen civilisirten Staaten
eingeführt ist, kann auch die Buchdruckerei auf dem alten Duodeci-
malsystem nicht beharren. Es ist hier nicht der Ort, Vorschläge zu
machen, aber darauf muss hingewiesen werden, dass auch die Meter¬
concordanz von acht Punkten = 3 Millimeter noch kein metrisches
System ist, da sich bei dem Versuch der decimalen Ausgleichung
meistens unendliche Brüche ergeben. Ein typometrisches System kann
nur dasjenige sein, bei welchem die meisten Kegel sich im Metermasse
vereinigen und bei welchem sie decimal gegliedert sind.
Wie bei den Kegeln die Uebereinstimmung noch mangelt, so ist
auch die Schriftliöhe verschieden, sie schwankt zwischen 62 und
63 Punkten bei der Pariser Höhe, von der deutschen Höhe ganz abge¬
sehen. Auch in dieser Beziehung ist nur das Metermass geeignet,
Abhilfe zu bieten. Eine Regelung dieser Frage ist um so mehr zu
erwarten, als der Uebergang vom Handguss zum Maschinenguss
Matrizen. Galvanoplastik.
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gebieterisch zur Einheit drängt und die Basis dieser Einheit in dem
einheitlichen europäisch-amerikanischen Metermasse vorhanden ist.
Proben der Producte der Stempelschneidekunst wird der fol¬
gende Abschnitt bringen, da dieselben zur Charakteristik der Druck¬
werke gehören.'
Die Herstellung der Matrizen war in früherer Zeit fast nur durch
das Einschlagen von Stahlstempeln möglich, die Verwendung von
Bleiabgüssen (Bleimatrizen), deren Herstellung oben (S. 49) beschrieben
wurde, war so langsam und zeitraubend, dass Bleimatrizen nur wenig-
genügende Surrogate der Kupfermatrizen boten.
Im Jahre 1837 entdeckte der von Potsdam gebürtige Moriz
Hermann Jacobi in Petersburg die Galvanoplastik, d. i. das Gesetz,
wonach Kupfervitriol durch die Elektricität in Schwefelsäure und
Kupfer aufgelöst wird, welches letztere sich auf beliebige Gegenstände
so fein und dicht niederschlägt, dass von denselben ein genau entspre¬
chendes Negativ gewonnen wird. So gibt ein Buchstabe im galva¬
nischen Apparat eine vertiefte Kupfermatrize, eine vertiefte Kupfer¬
platte eine erhabene Matrize u. s. w. Jacobi legte seine Entdeckung
1838 der Petersburger Akademie der Wissenschaften vor, der Kaiser
Nikolaus liess dieselbe einer Prüfung unterziehen, und als dieçe günstig
ausfiel, Jacobis Entdeckung für eine namhafte Summe ankaufen und
mit rühmenswerthem Hochsinn zu jedermanns Gebrauch veröffent¬
lichen. Jacobi wurde geadelt und starb als Geheimrath 1874.
Durch die Galvanoplastik wurden die Stempelschneider sehr
geschädigt, da die Schriftgiesser nur Minima neuer Schriften ankauften,
aus denen sie sich mittelst der Galvanoplastik Matrizen bildeten. Diesem
Missbrauch zu steuern, wurde das Musterschutzgesetz erlassen, welches
die Nachbildung künstlerischer Erzeugnisse verbietet. Dadurch wurde
der galvanoplastische Diebstahl eingedämmt, die Galvanoplastik selbst
nicht beseitigt, da deren Anwendung eine so vielseitige ist, dass sie
jeder Giesserei unentbehrlich bleibt.
Uebrigens blieb der Fortschritt der Technik nicht bei den Kupfer¬
matrizen stehen, Flinsch in Frankfurt verwendet Matrizen aus Neu¬
silber und Stahl (s. S. 575) und es wird auch an anderen Versuchen
nicht ausbleiben, um das Kupfer durch ein härteres Metall zu ersetzen.