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Englische Buchdrucker und typographische Schriftsteller.
Graphic aus; die Ofücin der letzteren druckt nur den Text vonCylinder-
maschinen, die Illustrationen aber auf der Tiegeldruckpresse.
Die Grossartigkeit der englischen Officinen zeigen die Schilde¬
rungen, welche Theodor Göbel im Journal für Buchdruckerkunst 1876
gegeben hat. Waterlow & Sons beschäftigen 2500 Personen, besitzen
mehr als 10.000 stehende Formen und 73 Schnellpressen ohne die
lithographischen Pressen. Ein eigenes aus Ziegeln, Eisen und Glas
errichtetes Gebäude ist für diese Werkstätte errichtet.
Unter den Londoner Druckereien zeichnet sich noch die von
Cassell, Petter & Galpin, welche trefflich geleitet ist und jedem Fort¬
schritt huldigt, aus; meisterhafte Holzschnitte, nach Zeichnungen von
Doré, stellten Grand & Co. in Wien aus.
Stowers, Hansards, Johnsons Handbücher der Buchdruckerkunst
haben nicht nur in England für den technischen Fortschritt gewirkt,
sie gaben auch den Anstoss zu ähnlichen deutschen Werken.
Von den Londoner Buchdruckerzeitungen ist das Printers Register
das älteste und ein gut redigirtes Blatt, es wurde von Josef Martin
Powell, welcher Setzer, später Reisender fürBuchdruckerei-Utensilien-
Geschäfte, und dann Agent in London war, 1859 begründet. Seit seinem
Tode wird es von Ruth Emma Powell und Daniel Thomas Powell
fortgesetzt. Ein zweites Organ ist die Printing Times and Lithographer,
welche anfangs hei Wyman & Sons gedruckt und später, als der
Rédacteur nicht zahlenkonnte, von Wyman selbst übernommen wurde,
der es mit grossem Fleisse, Sachkenntniss und ohne Nebeninteressen
leitet, nur bestrebt, die Interessen der Kunst zu fördern.
Ausser dem Bibliothekar des Lord Spencer, Dibdin, lieferten
S. L. Sotheby und H. N. Humphreys interessante Abbildungen von
Incunabeln, William Blades hat sich um die älteste Geschichte der
Buchdruckerkunst in England verdient gemacht.
Die englische Bibelgesellschaft, welche jährlich Unmassen von
Bibeln verbreitet, ist keine typographische Corporation, sondern lässt
in einzelnen Druckereien drucken, zu ihrer Bible of the world verwendete
sie die Alphabete der k. k. Staatsdruckerei in Wien.
In Nordamerika hat sich unter dem Schutze einer unbeschränkten
Press- und Gewerbefreiheit die Buchdruckerei am bedeutendsten
Nordamerika. Harpel.
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entwickelt. Es dürfte keine grössere Ansiedlung geben, wo nicht ein
Buchdrucker seine Werkstätte aufgeschlagen und eine Zeitung heraus¬
gegeben hat. Die Zeitung ersetzt den Schulzwang, den das freie
Amerika nicht kennt, dessen Schulwesen jedoch keinem Staate nach¬
steht, da schon die gewöhnlichste Neugierde zum Lernen des Lesens
und Schreibens zwingt. Die Errichtung einer kleinen Druckerei ist nicht
kostspielig, da die Schriftgiessereien der grossen Städte von ihren
grossen Lagern gerne Schriften zu billigen Preisen abgeben. In den
grossen Städten hat sich bereits eine Theilung der Arbeit vollzogen,
es gibt Druckereien, welche setzen und drucken, andere, welche nur
drucken, andere, die nur Satz oder Satz und Stereotypen liefern. Aus
den letzteren werden die Formen mittelst eines Handwagens abgeholt
und zur Druckofficin befördert. Es ist begreiflich, dass unter dem Ein¬
flüsse der unbeschränkten Goncurrenz die grösste Schleuderei herrscht,
aber von einem Niedergang des Druckgewerbes ist doch keine Rede,
da der wohlhabende Theil des Publicums schönen Druck verlangt und
gute Setzer und Maschinenmeister daher entsprechend bezahlt werden
müssen, während Pfuscher zu gründe gehen oder die Buchdrucker¬
kunst mit einer anderen Beschäftigung vertauschen. Die Haupterzeug¬
nisse Nordamerikas sind die Zeitungen, von denen die meisten in
riesigen Formaten erscheinen und deren einträglichster Theil, die
Inserate, sowohl die Setzer- als die Stempelschneidekunst fortwährend
in Athem erhalten; auch die Unmasse von Drucksachen für den Handel
und die Industrie befördern die typographische Kunst, und auf dem
Gebiete der Wissenschaft zeigt sich in Nordamerika ein Eifer, welcher
dem europäischen nicht nachsteht. Die nordamerikanischen Freistaaten
liefern den Beweis, dass die Buchdruckerkunst nicht der Zwangs-
massregeln und Beschränkungen bedarf, um zu gedeihen.
Harpels Tgpograph or Book of Specimens (Cincinnati) zeichnete
sich nicht nur durch Reichhaltigkeit und geniale Verwendung des
ungefügigenDruckereimaterials aus, in praktisch-amerikanischer Weise
brachte es vorwiegend Arbeiten des täglichen Verkehrs und ist dadurch
eine gute Schule für Setzer und Drucker geworden. Ein typographisches
Genie eigener Art ist W. J. Kelly in Newyork, der die schönsten Acci-
denzen nicht nur ohne die Zuhilfenahme vielfältiger Werkzeuge setzt