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Motteroz. Serrière. Chaix. Lahure. Doré.
MoTTERoz, ebenso tüchtig als Fachmann wie als graphischer
Schriftsteller, ist ein Mann, der vom Geiste und Stolze der alten Meister
beseelt ist, Buchdrucker durch und durch und ein vortrefflicher.
Serrière zeichnete sich nicht nur durch schöneArbeiten, sondern
auch durch Humanität aus, seinen eigenen Worten nach suchte er vor
allem die Arbeiter glücklich zu machen, welche er beschäftigte, er sah
lieber eine geringe Zahl Arbeiter in seiner Druckerei, welche sich eines
guten Verdienstes erfreuen, als eine grosse Masse derselben, die jäm¬
merlich zu leben gezwungen sind.
Dagegen haben Chaix & Co., obwohl sie 700 Arbeiter zählen,
ein sehr flottantes Personal. Die Officin heisst: Imprimerie centrale des
chemins de fer und besitzt auch fast alle Arbeiten der Eisenbahnen. Das
Geschäft, welches einer Actiengesellschaft gehört, ist auf das präch¬
tigste eingerichtet, ein unermesslicher Saal, mit einem grossen Glas¬
dache überdeckt und von einer weiten Gallerie umgeben, in der die
Steindrucker, Buchbinder, Falzer, Brochirer etc. arbeiten, zwischen
drei langen Beihen von Kästen laufen zwei Reihen marmorner Schliess-
platten hindurch, aber das leidige Müssigstehen ist Hausordnung.
Dasselbe gilt von der zweitgrössten Druckerei, Lahure & Co.,
welche 600 Arbeiter zählt. Schon 1854 sagte Gauthier von derselben:
„Die Druckerei des Herrn Lahure ist die Personiflcirung der neuen
Gewohnheiten der Arbeit, welche darin bestehen, stets ein das reelle
Bedürfniss übersteigendes Personal in der Officin zu haben, um allen
möglichen Umständen begegnen zu können. Das ist heute der Normal¬
zustand der Buchdruckerei. Nie gab es eine schlimmere Zeit für den
Typographen, da ewige Aenderung der Arbeit, Zeitverlust ohne Ver¬
gütung und eine Gefangenschaft inmitten der Officin ohne Beschäf¬
tigung die Folgen dieses Systems sind, welches Ueberstürzung und
Unruhe in dem Geschäfte verbreitet und alle Welt in üble Laune setzt.“
Gleichwohl lieferte Lahure schöne Arbeiten und glänzte auf den Aus¬
stellungen mit seinen Producten.
Paul Gustave Doré, geboren 1832 zu Strassburg, ist der be¬
rühmteste Zeichner und Illustrator der Prachtwerke der Gegenwart.
Von den französischen Provinzdruckereien ist die von Alfred
Mame in Tours die grösste. Ihr Director Henri Fournier war Zögling
Mame. Gauthier. Belgien.
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Didots, Verfasser eines Lehrbuches der Typographie und zugleich ein
Mann, der seine Lehren auch praktisch bewährte. Frauenlob in seinem
Berichte über die Pariser Ausstellung (1867) setzt diese Anstalt in erste
Linie neben die kaiserliche Druckerei. „Kein anderer Private hat so
ausnahmslos gediegene Erzeugnisse ausgestellt, keinem anderen lässt
selbst der neidische Rivale so willig Recht widerfahren. Was uns
besonders für Mame einnimmt, ist die bei ihm geübte Pflege der reinen
Typographie, des schwarzen Drucks mit Holzschnitten. In beiden
Beziehungen werden Mames Leistungen durch nichts übertroffen. Das
ganze Arrangement jedes Werkes, der kunstgerechte Satz, die unüber¬
trefflich schöne Farbe, der sorgfältigste Druck, das makellos weisse
Papier zeugen dafür, dass ein fester und einsichtsvoller Wille das
gesammte Institut und jede einzelne Leistung desselben beherrscht.
Es wäre schwer, eines der aus dem Etablissement hervorgegangenen
Werke den anderen vorzuziehen.“ Die Anstalt beschäftigt über 1000
Personen und vereinigt alles, was zur Herstellung eines Buches gehört;
die Billigkeit ihrer Arbeit ist beispiellos, denn Gebetbücher (der grösste
Theil der hier gedruckten Sachen ist religiöser Natur), welche in Wien
60—80 Kreuzer kosten, liefert Mame für 40 Centimes (17 Kreuzer).
Der hier öfter erwähnte Eugène Gauthier besitzt gegenwärtig
eine Buchdruckerei in Nizza, er hat als Mitglied der Tarifcommission
für das Wohl seiner Kunstgenossen erfolgreich gewirkt und mehrere
mühevolle tabellarische Buchstaben- und Preisberechnungen ver¬
öffentlicht.
Unter den Pariser Fachzeitschriften zeichnen sich die von Paul
Schmidt herausgegebene Chronique de Г imprimerie, sowie La typologie
Tucker aus.
Ueber die Buchdruckerkunst in Belgien fällt Frauenlob in seinem
Berichte über die Pariser Ausstellung (1867) folgendes Urtheil:
„Belgiens Buchhandel und graphische Künste waren würdig reprä-
sentirt durch zahlreiche Proben industriöser Thätigkeit und rüstigen
Fortschritts in technischer Beziehung. So wenig jedoch wie Gross¬
britanniens Typographie reicht die belgische an die Höhe der deutschen
oder französischen Etablissements ersten Ranges. Doch ist der
Charakter ihrer äusseren Erscheinung ein ganz anderer, als der der