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K. k. Hoi- und Staatsdruckerei in Wien.
dritten österreichischen Gewerbe-Ausstellung mit Producten aus allen
Fächern der Typographie, besonders aber der Stempelschneiderei und
Galvanoplastik zu gestatten. So entstanden die Stempel der Schrift¬
zeichen aller Völker der Erde (welche trotz der Beschleunigung ihrer
Herstellung sich durch Accuratesse und Schönheit auszeichnen), anfangs
72 Alphabete, während die französische Staatsdruckerei, welche als
die reichstausgestattete in fremdsprachlichen Schriften galt, deren nur
42 besass. Zur Heranbildung von Setzern wurde den Gehilfen und
Lehrlingen in der Anstalt fremdsprachlicher Unterricht ertheilt. Auer
betrachtete es als die Aufgabe der Staatsdruckerei, alle Erfindungen
und Verbesserungen, welche in ihren Bereich fielen, zu ermuntern
und zu pflegen. So wurde die Setzmaschine von Emanuel L. Tschulik
eingeführt und verbessert, in der Aerarial-Papierfabrik Papier aus
Maisstroh erzeugt, der Holzschnitt, die Chemitypie, der Stahl- und
Kupferstich, die Guillochirung, die Lithographie und der Farbendruck,
die Chemigraphie, die Galvanoplastik, die Xylographie, die Galvano-
graphie, die Glyphographie, die Hyalographie, die Photographie, die
Mikrotypie gepflegt und der Naturselbstdruck erfunden. Ein im Jahre
1853 erschienenes Werkchen, „der polygraphische Apparat“ von
Alois Auer enthält Proben von allen diesen Kunstfächern; auf Seite 4
des vorliegenden Werkes ist das bewundernde Urtheil angeführt,
welches Dupont über die in London 1852 ausgestellten Erzeugnisse
der Staatsdruckerei gefällt hat. Auer wurde der Gegenstand allgemeiner
Bewunderung, er avancirte zum Hofrath, wurde in den Adelstand mit
dem Prädicate „von Welsbach“ erhoben, erhielt viele österreichische
und ausländische Orden, wurde Mitglied der kaiserlichen Akademie
der Wissenschaften, Ehrendoctor von Universitäten, Ehrenmitglied
gelehrter Gesellschaften; aber in dem Masse, wie sein Ruhm wuchs,
erhob sich auch der Neid, Verläumdungen umzischelten ihn und die
Wiener Staatsdruckerei fand nicht, wie die französische, in den Tagen
der-Anfechtung mächtige Befürworter, Auer sah sich in seiner Macht¬
sphäre beschränkt, er legte im Jahre 1864 seine Stelle nieder und
verlangte eine Disciplinaruntersuchung, um sein Gebaren rechtfertigen
zu können. Dieses ist ihm zwar vollkommen gelungen, aber die trüben
Ereignisse hatten seine Gesundheit tief erschüttert und am 10. Juli 1860
K. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien.
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■erlöste ihn der Tod von seinem langen Siechthum. Auer war nicht
wie ein Meteor aufgestiegen und versunken, er hat Dauerndes hinter¬
lassen und glücklicherweise fand die Regierung in dem jetzigen Leiter
einen Mann, der die Anstalt aus den Stürmen in ein sicheres Fahr¬
wasser zu leiten verstand. Hofrath Anton Ritter v. Beck, 1812 zu
Butsch in Mähren geboren, absolvirte die juridisch-politischen Studien
an der Wiener Universität und erwarb daselbst den Doctorhut, war
dann Erzieher des Prinzen Adolf zu Schwarzenberg, Assistent bei der
Lehrkanzel des Völkerrechts an der Theresianischen Ritterakademie,
nahm 1848 als Abgeordneter für Wittingau an dem Reichstage theil,
wurde 1849 in das Justizministerium als Rédacteur des Reichsgesetz¬
blattes berufen, übernahm 1860 als Sectionsrath die Direction der
officicllen Wiener Zeitung und die Leitung der für dieselbe eigens
errichteten Druckerei, wurde Ende 1866, zwei Jahre nach dem Rück¬
tritte Auers zur finanziellen Reorganisation der Anstalt als Director
berufen und im Jahre 1867 zum Hofrath ernannt. Nach einer elf¬
jährigen Wirksamkeit in dieser Stelle wurde ihm im Jahre 1877 das
Ritterkreuz des Leopoldordens, und in Folge dieser Auszeichnung der
Ritterstand verliehen. Man wird es begreifen, dass der jetzige Director
der Staatsdruckerei im Gegensatz zu seinem Vorgänger vermied, mit
seiner Person in den Vordergrund zu treten, selbst bei'der Wiener
Weltausstellung blieb die Anstalt ausser Concurs; wenn man aber aus
dieser Zurückhaltung geschlossen hat, dass die Staatsdruckerei im
Niedergange begriffen sei, so bin ich in der Lage, die Grundlosigkeit
dieser Anschuldigung ziffermässig nachzuweisen. Wohl wurde der
Wirkungskreis der Anstalt eingeschränkt, 1S67 die Filiale in Tcmesvar
und 1871 die Filiale in Lemberg aufgehoben, wohl wurde auch der
Concurrenz der Privatdruckereien im Gegensatz zu dem Vorgänge in
Frankreich (man vgl. S. 596) der weiteste Spielraum eröffnet, zumal
die k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien an Tarife gebunden ist
und auch bezüglich der Lieferzeit keine bindenden Verpflichtungen
einzugehen in der Lage ist, da ihre Mittel jederzeit dem Ministerium
unbeschränkt zur Verfügung stehen müssen; aber bis heute hat diese
Anstalt nicht aufgehört den Fortschritten der Typographie in jeder
Weise Rechnung zu tragen. Uneigennützig lieferte sie sogar Privaten