40
Holzbuchstaben.
Diese Presse und diese Typen können ganz wohl von Mèntel
herrühren, den Specklin für den Erfinder der Buchdruckerkunst hielt.
Es ist zu bedauern, dass spätere Lügen einen Schatten von Lächer¬
lichkeit auch auf diese Behauptung werfen; für eine Lüge halte ich
die Aeusserung Laquilles (Histoire de la province d'Alsace 1727) , er habe
von einem königlichen Verleiher erfahren, dass eine Magd des Haus¬
meisters aus dem Hause, wo die Typen aufbewahrt wurden, dieselben
gestohlen und wahrscheinlich an durchreisende Sammler verkauft
habe, das Verbrechen sei entdeckt und sie geköpft worden;“41 denn
Specklin beklagt ja, dass man die Typen schon zu seiner Zeit habe
verloren gehen lassen.
Da die Herstellbarkeit von Holztypen bestritten worden ist, so
habe ich mich veranlasst gefunden, von einem Wiener Xylographen
(Günther, Grois & Rückers Atelier für Holzschneidekunst) die Buch¬
staben zweier Zeilen der 36zeiligen Bibel (Zeile 11 und 12 auf Tafel I)
einzeln in Holz schneiden zu lassen (Nr. 15).
Чиеа pniíuío anmiriaE fitrm
probeteíam flirto tmms ami
Nr. 15. Holzbuchstaben nach dem Muster der 36zeiligen Bibel.
Was nun aber die „Löchle“ betrifft, über welche sich Dr. v. d.
Linde so lustig gemacht hat, so sind dieselben für denjenigen, der mit
dem Buchdruck etwas mehr vertraut ist, als der genannte Gelehrte,
sehr wohl begreiflich. Unsere jetzigen Metalllettern sind in Instrumenten
gegossen, deren Kerne von Stahl eine genaue rechteckige Form der
Typen garantiren, dieselben haben aber immer kleine überflüssige
Metallansätze, welche auf einem Steine abgeschliffen oder bei über-
hängendenBuchstabenweggeschnitten werden müssen; dennochkonnnt
es vor, dass bei Zeilen, die nicht gut ausgeschlossen sind, einzelne
Buchstaben von der färbenden Walze herausgerissen werden, sich auf
dieForm legen undUnheil anrichten.' Bei den früheren unvollkommenen
Giessinstrumenten war dies viel mehr zu befürchten, zumal man früher
nicht die Auswahl von verschiedenen Spatien hatte, wie jetzt, und daher
die Zeilen nicht genau ausschliessen konnte. Der Druckerballen, mit
Durchlöcherte Buchstaben.
41
welchem die Farbe auf die Form getupft wurde, war zum Herausziehen
der Buchstaben noch mehr geeignet, als die jetzige Walze, und so ist
es denn auch dem Bibliographen Madden42 gelungen, einen Druck zu
entdecken, auf welchem sich ein so herausgezogener Buchstabe verewigt
hat. Das Werk ist Johann Niders Leprae morales, gedruckt von Conrad
Homborch in Köln gegen Ende 1476. In der Wiener Hofbibliothek ist
kein Exemplar davon vorhanden, und so hatte ich keine Gelegenheit
eine Vergleichung anzustellen. Ich habe Maddens Facsimile genau
photo-zinkograpliisch in Nr. 16 abdrucken lassen, und bedaure nur,
dass der Photograph die Rudimente der Buchstaben rechts am Rande
totttatibusptliis mt)rf nttxte» bmte
m fequentifo: fed btifapat autentico# tt’/ac
pagina \ctba fiteütet curalo atícele JY ; Л
potiffimui nifi qñaUumtoftcMcm noîai \@ '
p?cutusmba ftatim feqiiunímba bt *
tne-cp ipfe omntô viteiuu coitetmgcôt
ttltevevbi te òìfòttntHspcfómm agítuv
Nr. 16. Ein abgedruckter Typenkegel. (Nach Madden, Lettres d’un Bibliographe.)
für Schmutzflecke gehalten und beseitigt hat. Madden ergänzt den Text
in folgender Weise:
fri tljDf Sancti Thomae
nnlaUCrO , . nominavero
■ , d. li.
ntittyo beati Tho-
prt prae
Madden meint, es sei ein t, welches herausgezogen wurde, aber
das Auge des Buchstabens ist entschieden für ein t zu klein, es ist für
jeden Buchstaben des Textes zu klein, es kann nur ein Divis sein,
welches wahrscheinlich bei tlio- stand. Madden meint ferner, das Loch
im Buchstaben sei eine Signatur, an welcher der Setzer erkennen
sollte, ob er den Buchstaben richtig und nicht verkehrt gefasst habe,
er meint, das Loch durchbohre nicht den Buchstaben, es gehe nur
halb in den Buchstaben hinein. Was zunächst die Signatur betrifft, so
zweifle ich, dass im XV. Jahrhundert so schnell gesetzt wurde, dass