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Industrie-Ausstellungen.
und ehrenkränkende Beschuldigungen gegen jemand vorgebracht hat.
Freimüthige Aeusserungen über die Verwaltung des Staates oder irgend
einen anderen Gegenstand sind jedem gestattet.“192 Die Bundes¬
verfassung der Schweiz vom Jahre 1848 hat im Artikel 45 die Press¬
freiheit gewährleistet.
Ein wichtiges Mittel zur Hebung der Buchdruckerkunst waren im
XIX. Jahrhundert die Industrie-Ausstellungen. Anfangs beschränkten
sich dieselben auf die einzelnen Länder, Frankreich veranstaltete 1801
seine dritte Ausstellung, andere folgten 1802, 1806, 1819 und 1823;
in Wien fanden 1835, 1839 und 1845 Gewerbe-Ausstellungen statt,
in Deutschland 1827, dann 1845, 1850 zu Berlin und 1854 zu München;
in England 1845 und 1849, bei welch letzterer der Prinz-Gemal Albert
den Vorschlag machte, eine allgemeine Weltausstellung zu veranstalten,
welche im Jahre 1851 stattfand. Hier fand zum erstenmale ein Ringen
der Industriellen der ganzen Welt um den Preis der Kunstfertigkeit
statt, an welchem die graphischen Künste theilnahmen. Dieser folgte
1855 die Weltausstellung zu Paris, 1862 zu London, 1867 zu Paris,
1873 zu Wien, 1876 zu Philadelphia. Das schnelle Aufeinanderfolgen
dieser Ausstellungen, welche bedeutende Opfer von Seite, der Indu¬
striellen forderten, während die Zeit zu kurz war, um einenbedeutenden
Fortschritt erkennen zu lassen, hat seither den Eifer für derlei inter¬
nationale Wettkämpfe abgekühlt, doch sind kleinere Ausstellungen
noch immer beliebt; so fand 1877 in Nürnberg eine Ausstellung von
Arbeiten der vervielfältigenden Künste, 1881 zu Frankfurt eine all¬
gemeine deutsche Patent- und Musterschutz-Ausstellung statt.
XX. ABSCHNITT.
DIE VERBREITUNG DER BUCHDRUCKERKUNST
IM XIX. JAHRHUNDERT.
EIT der Einführung der Gewerbefreiheit hat die Verbreitung
der Buchdruckerkunst in Deutschland riesige Fortschritte
gemacht. Während im vorigen Jahrhundert nur 434 Druckorte in
Deutschland und Oesterreich aufgeführt werden konnten, von denen
manche übrigens nur kurze Zeit eine Buchdruckerei beherbergten,
bestanden im Jahre 1855 in Deutschland und Oesterreich in 818 Städten
1643 Buchdruckereien mit 3310 Handpressen und 969 Schnellpressen
nebst 922 Steindruckereien mit 2439 Pressen; im Juni 1880 im deut¬
schen Reiche ohne Oesterreich in 1300 Städten 2386 Buchdruckereien,
1610 Steindruckereien, 659 Buch- und Steindruckereien, zusammen
4655 Druckwerkstätten mit 3000Handpressen und 5900 Schnellpressen
für den Buchdruck, sowie 6800 Handpressen und 1090 Schnellpressen
für den Steindruck, in welchen 52.000 männliche, 11.600 weibliche
Arbeiter und 8400 Lehrlinge beschäftigt wurden. Diese Vermehrung
der Druckereien erfolgte merkwürdigerweise ohne eine entsprechende
Vermehrung der Bücherproduction, denn während im Jahre 1843 in
Deutschland 13.664 Bücher erschienen, wurden im Jahre 1878 13.912,
1880 14.941, 1881 15.191 Bücher veröffentlicht; nur der vermehrte
Zeitungsconsum und der Umstand, dass die Buchdruckerkunst jetzt
mehr als früher im Handel und Gewerbe verwendet wird, erklärt diese
Zunahme an Buchdruckereien. Dieselben vertheilen sich nach Klimschs
Adressbuch auf folgende Länder und Städte:
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