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Lithographie und Typographie.
während bisher Farbentafeln die Bücher so vertheuerten, dass sie nur
der reichen Klasse zugänglich waren. Die Billigkeit der Chromo-Litho-
graphie hat das Illuminiren der Bilder mittelst der Hand oder mittelst
Patronen fast vollständig beseitigt, und wenn dadurch auch Viele ihren
Erwerb verloren, so ist dies doch nicht zu beklagen, da das Illuminiren
eine gesundheitswidrige und elend gezahlte Beschäftigung war.
Gegen ihren Willen hat die Lithographie den Aufschwung der
Typographie befördert. Anfangs schien sie der Typographie eine
gefährliche Concurrenz zu machen, indem sie fast alle Accidenzarbeiten
an sich riss. An Stelle der mit schlechten Linien gedruckten Rech¬
nungen, welche ungeglättet mit den Schattirungen ihrer Schriften und
Linien die Feder im Schreiben störten, lieferte der Lithograph auf
glattem Papier feine und Doppellinien in beliebiger Weise, welche sich
ohne Störungen durchkreuzten; Circulare, Avisobriefe, Geschäfts¬
empfehlungen und Visitenkarten lieferten die Steindrucker schöner
und billiger als die Buchdrucker, welche letztere daher fast den ganzen
kaufmännischen Kundenkreis verloren. Nur durch die Umgestaltung
ihrer sämmtlichen Druckerpressen, durch die Einführung einer Masse
von Zierschriften, Einfassungen, Polytypen etc. konnten die Buchdrucker
das verlorene Terrain wieder gewinnen, und so entwickelte sich ein
Goncurrenzkampf, aus welchem die Schönheit der graphischenProducte
den grössten Vortheil zog.
XIX. ABSCHNITT.
DIE PRESSPOLIZEI IM XIX. JAHRHUNDERT.
Ш В WEICHEND von der bisherigen Einrichtung muss ich diesen
Abschnitt mit Frankreich beginnen, da dieses Land im
XIX. Jahrhundert ein wahres Versuchsfeld presspolizeilicher Thätigkeit
war und die meisten seiner Verordnungen in Deutschland nachgeahmt
wurden. Im Jahre 1800 legten sich die Consuln das Recht bei, die¬
jenigen Journale zu unterdrücken, welche sich erlaubten, Artikel „gegen
die bürgerliche Gesellschaft, gegen die Souveränetät des Volkes, gegen
den Ruhm der Armee und gegen die befreundeten und verbündeten
Nationen“ zu veröffentlichen. „Um die Freiheit der Presse zu sichern“,
wurde 1803 verordnet, dass kein Buchhändler ein Werk verkaufen
dürfe, bevor er es nicht einer Revisionscommission vorgelegt hatte.
1806 wurden die Zeitungen, die periodischen Blätter und die Theater
einem Censurbureau unterstellt. Napoleon, welcher gesagt hatte:
L’imprimerie est un arsenal, qic’il importe de ne pas mettre mire les mains
de tout le monde (die Druckerei ist ein Arsenal, welches man nicht jedem /
Beliebigen in den Händen lassen darf), errichtete 1810 eine Direction
der Buchdruckerei, welche dem Minister des Innern unterstellt war
und die Censur ausübte, ferner verringerte er die Zfahl der Pariser
Buchdrucker von 400 auf 60 und bestimmte, dass die letzteren die
Besitzer der aufgehobenen Buchdruckereien schadlos halten sollten;
1811 wurde diese Schadloshaltung auf 4000 Francs für jede Buch¬
druckerei festgesetzt und die Zahl der Buchdrucker auf 80 erhöht.