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Erfindung des Umdrucks.
darin eine grosse Fertigkeit besass, verkehrt mit Bleistift auf Stein vor¬
geschrieben und dann :von Senefelder mit chemischer Tinte nach¬
geschrieben worden. Während Gleissners Krankheit musste Senefelder
auch die Vorschrift übernehmen, die ihm ungewohnt und daher
beschwerlich war. Er suchte daher eine Tinte herzustellen, die sich
auf den Stein Umdrucken liesse, anfangs nur um eine verkehrte Vor¬
zeichnung zu gewinnen. Seine Versuche führten ihn schliesslich dahin,
dass er eine Tinte erfand, welche sich sowohl auf Papier, wie auf den
Stein Umdrucken liess und auf letzteren derart, dass dieser Umdruck
auf dem Steine haften blieb, somit den Abdruck von Tausenden von
Nr. 209. Stangenpresse von Senefeider nebst Reiber. (Aus dessen Lehrbuch der Steindruckerei.)
Exemplaren gestattete. Hiebei lernte er die Verbindung kennen, welche
der Gummi mit dem Steine, namentlich in Verbindung mit dem Scheide¬
wasser eingeht, wonach nur die mit fetten Strichen besetzten Theile
des Steines die Farbe annehmen, während die übrige Fläche des
Steines rein bleibt, und wobei der Stein sowohl erhaben beschrieben
wie vertieft gravirt sein kann, kurz das ganze Geheimniss der jetzigen
Lithographie.
Ein Jahr vorher hatte Senefelder die Stangenpresse erfunden,
welche eine schnelle Arbeit (1200 Abdrücke täglich) ermöglichte und
Verbesserungen und Erweiterungen.
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deren Abbildung Nr. 209 zeigt. Bei dieser geschieht der Druck durch
eine Stange von 6—10 Schuh Länge, an welcher unten der Reiber
befestigt ist, und die oben an der Feder, einem beweglichen Brete,
hängt. Diese ist mit einem Fusstritte in Verbindung, und wird damit
herunter gezogen, wodurch die Stange mit der gehörigen Kraft auf den
Reiber und vermittelst dessen auf die Platte drückt. Unsere Abbildung
stellt die Presse in dem Momente dar, wo der Druck schon geschehen,
der Druckrahmen aufgeschlagen und die Reiberstange bereitswieder an
der Seite eingehängt ist. Beim Drucken zieht der Arbeiter die Stange
über den Druckrahmen und die Steinplatte gegen sich, während der
Stein unbeweglich bleibt. (Gegenwärtig ist diese Stangenpresse durch
die Rollenpresse ersetzt, bei welcher der Stein unter dem festliegenden
R.eiber hinweggezogen wird.)
Von jetzt an verbesserte sich die Lage des Erfinders, er verdiente
manchen Tag 10 bis 12 Gulden, erhielt 1799 von dem König Max Josef,
welcher damals die Regierung antrat, ein Privilegium auf 15 Jahre, und
schloss mit dem Musikalienhändler André aus Offenbach einen Vertrag,
wonach er gegen ein Honorar von 2000 Gulden diesem eine Stein¬
druckereieinrichtensollte. Um diese Zeit gelang es ihm auch, von Kupfer¬
stichen Umdrücke zu machen und auf der Steindruckpresse zu drucken.
André hatte zwei Brüder in London und veranlasste Senefelder,
Privilegien inLondon, Paris, Berlin und Wien zu erwerben. In den ersten
Städten sollten die Brüder Andrés das Geschäft führen, Senefelder in
Wien ein Geschäft errichten und André von Offenbach aus die Gesell¬
schaft leiten. Seine Druckerei in München überliess Senefelder seinen
Brüdern Theobald und Georg, welche gleich ihm das Theater mit der
Steindruckerei vertauscht hatten. Zu gleicher Zeit Versuchte Senefelder
den Steindruck auf die Kattundruckerei zu übertragen, die Aquatinta-
Manier anzuwenden und den Kreidedruck. Inzwischen hatten die Frau
Gleissner sowie Senefelders Mutter, jene für André, diese für sich in
Wien um ein Patent angesucht, welches jedoch beiden verweigert
wurde, da sie keine Proben vorlegen konnten. Senefelder ging nun
selbst nach Wien, um ein Privilegium zu erhalten: durch Misstrauen
löste sich die Verbindung mit André auf und Senefelder trat mit dem
Wiener Hofagenten v. Harth in Verbindung.
Faulmann, Gesch. d. Buchdruckerkunst. 35