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Streitigkeiten.
doch auch in Frühlingszeit, seinen arbeitenden Gesellen gegen Abend
eine Pfeife Tabak zu rauchen vielmehr anmahne als verbiete.
Dies wurde nach Leipzig berichtet, dort wollte aber niemand
etwas gesagt haben.
Im Jahre 1702 entstand ein Streit, weil der Factor Hansch zu
Gotha einen zu Jena Postulirten, Namens Heller, einen „durch¬
gegangenen Jungen“ genannt hatte. Der Jenaer Buchdrucker Krebs,
bei welchem Heller gelernt, befragte sich desshalb zu Braunschweig
und bat sich dieser Gesellschaft Kunstmeinung aus. Heller nahm die
Scheltworte des Hansch nicht an und schob sie nach uraltem Brauch
auf dessen Rücken zurück. Krebs wandte sich nach Wittenberg, und
die Wittenberger erklärten den Vorgang des Krebs für gerechtfertigt.
Im Jahre 1708 wurde Heller durch den Gothaer Hofbuchdrucker
Reyher, dem er aus der Lehre gegangen, für ehrlich ausgelernt erklärt.
Noch immer aber war diese Druckerei in Verruf. Im Jahre 1710 rescri¬
birte der Herzog Friedrich zu Sachsen-Gotha auf Reyhers Ansuchen
an die Jenaer Akademie und an den Magistrat zu Leipzig. Im Jahre
1714 wurde die REYHERsche Druckerei wieder freigesprochen.
Im Jahre 1706 hatte ein Factor zu München einen betrunkenen
Drucker, der Skandal gemacht hatte, einen „alten Hund“ geheissen
und war dafür mit sechs Thaler bestraft worden, während der Drucker
frei ausging. Der Factor brachte die Sache vor das Gericht, welches
erklärte, er sei nur zwei Gulden Strafe schuldig. Darob entbrannte ein
Streit. Die Gesellen schütteten unter anderem dem Factor heisse Lauge
über den Kopf und erklärten die Druckerei in Verruf. Die Wiener
Gesellschaft gab den Gesellen Recht, die Nürnberger Gesellschaft, an
welche sich der Factor wendete, verwarf das Wiener Gutachten.
Der Streit wurde erst 1716 geschlichtet, indem sich die beiden ange¬
rufenen Körperschaften einigten.
Im Jahre 1700 hatte Abraham von Wöhrd einigen Juden in Fürth
beiNürnberg eineDruckerei eingerichtet und ihnen das Drucken gelernt,
oder wie es damals hiess: „seine erlernte Kunst um etliche Silberlinge
denen Juden verkauft. “ Als er merkte, dass er Unrecht gethan habe,
wendete er sich an die Nürnberger Gesellschaft mit der Bitte, ihn
abzustrafen; diese wies ihn aber ab. Hierauf wandte er sich mit der
Streitigkeiten. Breitkopfs Reform.
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gleichen Bitte nach Augsburg, wo er auch abgestraft wurde. Darüber
beschwerte sich die Nürnberger Gesellschaft und berichtete 1702
nach Jena. Die Augsburger beriefen sich auf ein Gutachten der Wiener
Genossenschaft, die Nürnberger schickten Approbationen von Leipzig,
Frankfurt, München und Salzburg, worin den Augsburgern Unrecht
gegeben wurde. Endlich wendeten sich die Augsburger durch Vermitt¬
lung der Jenaer direct an Nürnberg, wo sie 1705 wieder als Freunde
aufgenommen wurden.
Zu Hamburg wurde der alte Buchbinder Keyser von Stockholm
zur Buchdruckerkunst aufgedungen und ihm ein Factor bewilligt;
nachdem der alte Lehrling seine Zeit ausgelernt hatte, wurde er frei-
gesprochen, sein Sohn zog es jedoch, um allen Anwürfen vorzubeugen,
vor, nach Leipzig in die Lehre zu gehen.
Am kleinlichsten zeigte sich das Zunftwesen, als im Jahre 1772
dem Schriftgiesser Wilhelm Haas in Basel auf Andrängen der Buch¬
drucker durch richterlichen Spruch der Gebrauch der von ihm selbst
erfundenen eisernen Buchdruckerpresse verboten wurde, weil er die
Buchdruckerei nicht zunftmässig erlernt hatte.
Wie schwer eine Reform der alten Bräuche von innen heraus
durchzuführen war, musste Breitkopf erfahren. Mit seinem Feuereifer,
der alle Schäden zu verbessern strebte, hatte er auch die Deposition
zum Gegenstände seiner Verbesserungen gemacht. Den Hörnerhut,
den grossen Zahnbrecher, den hölzernen Ohrlöffel nebst Hobel und
Pritsche konnte er zwar nicht verbannen, aber er liess diese Instru¬
mente bei dem Postulat feinsäuberlich auf einen Tisch legen und ihren
allegorischen Sinn in einer Rede erklären, die er öffentlich drucken
liess und die von einem seiner Gesellen, den er gewöhnlich selbst als
den geschicktesten dazu auslas, dabei gehalten werden musste. Ueber
diese Neuerung entstand in den Kreisen der Buchdruckergehilfen eine
ungeheuere Aufregung, sie wollten durchaus keinen Gesellen als ehr¬
lich anerkennen und unter sich dulden, der nicht mit der Hörnermütze
gekrönt gewesen, dem der hölzerne Ohrlöffel nicht die Ohren aus¬
geräumt, den der Hobel nicht abgehobelt und dem nicht der Zahnbrecher
wie die Pritsche ihre Dienste geleistet hatten. Breitkopf erfuhr dadurch
viele Unannehmlichkeiten, aber er besass in solchen Dingen einen
Faulmann, Gesch. d. Buchdruckerkunst. 34