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Zeitungen.
wurde 1792 durch ein kaiserliches Privilegium zum allgemeinen Reichs-
Intelligenzblatt erhoben und erschien so bis zur Aufhebung der deut¬
schen Reichsverfassung als „Kaiserlich privilegirter Reichsanzeiger“,
später als „Allgemeiner Anzeiger“. Die Intelligenzblätter haben als
Kreisamtsblätter viel zur Verallgemeinerung der Ruchdruckerkunst
beigetragen, da sie in kleinen Kreisstädten die Gründung von Drucke¬
reien ermöglichten.
Das Capitel von den Druckfehlern erfuhr im XVIII. Jahrhundert
manche schöne Bereicherung. Crapelet in seinen Etudes typogra¬
phiques erzählt: „Ich werde es nie vergessen, in welcher Aufregung ich
eines Tages meinen Vater Charles Crapelet sah; er hielt ein Blatt
in seinen Händen, bleich und zitternd zerknitterte er es convulsivisch
zwischen den Fingern, er hatte so eben bemerkt, dass statt des Namens
Pénélope gedruckt war: Pélénope; es war auf dem ersten Blatte des
Télémaque und dieses Blatt war dreimal gelesen worden, bevor es vor
seine Augen gekommen war, und er hatte es gelesen, und noch einmal
gelesen — und doch den Fehler übersehen. Der Fehler musste durch
einen Carton verbessert werden.“183 Nicht weniger dürfte Firmin Didot
überrascht gewesen sein, als er in seiner Ausgabe des Racine in dem
Augenblicke, als er den Bogen unter die Presse geben wollte, folgenden
Fehler bemerkte: Vous allez à l’hôtel, et moi j’y cours, madame! (Sie
gehen ins Gasthaus, und ich eile dahin), es sollte aber heissen: Vous
allez à l’autel (Sie gehen zum Altar).
Gefährlicher hätte ein Fehler dem Abbé Sieyès werden können,
der in der französischen Revolution eine grosse Rolle spielte; in dem
Abzüge einer Rede, worin er sein politisches Verhalten gerechtfertigt
hatte, standen die compromittirenden Worte: j’ai abjuré la République
(ich habe die Republik abgeschworen) statt adjuré (ich habe der
Republik zugeschworen). „Wie kann man solche Fehler machen“, rief
er dem Setzerjungen zu, „will der Buchdrucker mich guillotiniren
lassen?“
Schliesslich sei noch eines Fehlers von politischer Bedeutung-
erwähnt. Zur Zeit als Napoleon eine Allianz mit Russland suchte,
erschien im Moniteur in diesem Sinne ein Artikel, worin es hiess:
Les deux souverains dont l’un ne peut qu’être invincible (Die zwei Herrscher,
Stereotypie.
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von denen nur einer unbesiegbar sein kann), statt dont l’union (deren
Vereinigung). Die Allianz kam nicht zu Stande.
Im XVIII. Jahrhundert wurde die Stereotypie erfunden, d. h. das
Abklatschen, welches bisher nur auf Buchstaben und Holzstöcke an¬
gewendet war, auf Druckseiten ausgedehnt. Die Typographie, nämlich
das Zusammensetzen von Buchstaben zu Wörtern und Seiten, das
Wiederauflösen derselben und die Verwendung der abgedrucklen
Typen zu neuen Sätzen, bietet bei Werken, von denen öftere Auflagen
gemacht werden müssen, nicht nur die Unannehmlichkeit des Zeit¬
aufenthaltes und der sich wiederholenden Kosten des Satzes, sondern
auch die Gefahr, dass beim Neusatz sich Fehler einschleichen, welche
bei religiösen Werken Anstoss und Aergerniss erregen, bei grammati¬
kalischen und classischen zu Irrthümern verführen. Daher musste in
früherer Zeit der Satz solcher Werke stehen bleiben, mochte er auch,
wie der der Bibel, viele Centner ausmachen, deren Capital todt liegen
blieb. Auch dadurch war die Gefahr nicht beseitigt, dass bei dem
Einschlagen der Columnen in Papier oder beim Auspacken derselben
dieColumnen ganz oder theilweise sich auflösten (quirlten) und dadurch
dennoch ein Neusatz erforderlich ward. Das führte einen Deutschen,
Namens J. Müller, Prediger zu Leyden, auf den Gedanken, die mit
beweglichen Lettern gesetzten Sehriftcolumnen durch einen Ueber-
guss auf der Rückseite in ein Ganzes zu vereinigen. Diese Idee führte
er in Gemeinschaft mit seinem Sohne W. Müller und unter Beistand
eines gewissen van der Mey, Vater eines bekannten Buchdruckers,
zwischen 1701 und 1711 zuerst mit Mastix und endlich mit Gyps aus
und sie lieferten so die festen Platten zu einer holländischen Bibel.
Beim Caxton-Jubiläum in London (1877) wurden übrigens gegossene
Stereotypplatten aus Luchtmans Offlein zu Leyden (1700—1726)184
ausgestellt; es ist daher fraglich, ob der schottische Goldschmied
William Ged in Edinburg der erste war, der einen anderen Weg ein¬
schlug und statt des bisher üblichen Sandes flüssigen Gyps verwendete,
welchen er über den Satz goss, nach seiner Erhärtung abnahm und
so eine Form erhielt, in welche Letternzeug gegossen und damit
Druckplatten erzeugt werden konnten. Diese dünnen Platten, die leicht
aufbewahrt werden können und das Ablegen des Satzes, sowie dessen