460
Holland. Fleischmann.
dieselben auf Reclamation des Papstes 1815 zurückgegeben werden,
aber die davon gemachten Matrizenabschläge blieben im Besitze der
Anstalt.
Holland pflegte auch im XVIII. Jahrhundert die Buchdruckerei
in hervorragender Weise und bildete sie zu einem wichtigen Zweige
seines Handels aus. Dirk Voskens zu Amsterdam war ein berühmter
Graveur und Giesser, seine Typen waren wegen ihres guten Schnittes
berühmt und aus seiner Druckerei gingen schöne Werke hervor.
Christoph van Dyk , dessen Giesserei an Jean Bus überging, und
Isaak van der Potte zeichneten sich gleichfalls durch die Schönheit
ihrer Typen aus.
Der berühmteste Stempelschneider Hollands aber war ein
Deutscher, Johann Michael Fleischmann, dessen Verdienste sein
Chef, Johann Enschedé, zufrieden mit dem Ruhme, der Leiter eines
so thätigen und hervorragenden Geschäftes zu sein, in der ehrlichsten
Weise in seinem Schriftprobenbuch veröffentlicht hat. Fleischmann war
1701 zu Nürnberg geboren und lernte daselbst bei C. Hardwich die
Giesserei, wo er auch den Grund zu seiner Kenntniss der Stempel¬
schneiderei legte. Da er sich im Stempelschneiden in Nürnberg nicht
vervollkommnen konnte, verliess er es in der Absicht, über Holland
und Frankreich nach England zu gehen. Ein Jahr hielt er sich in
Frankfurt auf und kam dann nach Amsterdam, wo er bei van der
Potte arbeitete. Kurze Zeit darauf kam er nach dem Haag, wo er in
der neuerrichteten Schriftgiesserei der Buchhändler R. C. Alberts und
H. Uitwerf ein Jahr als Schriftgiesser arbeitete. In dieser Giesserei war
der Stempelschneider J. M. Schmidt (Smit) beschäftigt, der später nach
Berlin ging. Man hatte hierzulande seit dem bekannten Christoph
van Dyk keinen Schriftstempelschneider gehabt als Dirk und Barth.
Die Schriftgiesser Voskens, Vater und Sohn, zu Amsterdam hatten
diese Kunst für sich selbst geübt und einen solchen Ruf erlangt,
dass ihnen die meiste Arbeit vom In- und Auslande zuströmte und
sie mehr zu thun hatten, als sie zu schaffen vermochten. Da die Chefs
Fleischmanns mit jenen wetteiferten und alles aufboten, ihr Geschäft
in guten Ruf zu bringen, so entdeckte Fleischmann ihnen seine Fertig¬
keit im Stempelschneiden und seine erste Arbeit, eine Descendiaan-
Fleischmann.
461
Antiqua nebst Cursiv gefiel ihnen so, dass sie dieselbe 1729 ankauften.
1732 schnitt er eine Mittel-(Augustyn-)Antiqua und Cursiv, welche
Rud. Wetstein ankaufte. Auf dessen Rath errichtete er eine Giesserei,
verkaufte sie jedoch schon nach einem Jahre an Wetstein, der ihm
auch alle seine neuen Schriften abkaufte, da dieser, wie er sagte,
schon seit dreissig Jahren nach einem solchen Künstler geschmachtet
hatte. Als nach Wetsteins Tode dessen Schriftgiesserei an Enschedé
in Harlem überging, erneuerte dieser die Verträge, welche sein
Vorgänger mit Fleischmann geschlossen hatte und besass bei dessen
1768 erfolgten Tode 70 verschiedene griechische, lateinische, cursive,
deutsche, arabische, malayische und italienische (Schreib-)Schriften von
seiner Hand; Enschedé sagt von ihm: „Seit der Erfindung der Buch¬
druckerkunst hat es keinen so ausgezeichneten Stempelschneider
gegeben.“ Seine Schriften besitzen ausser ihrer Schönheit noch den
bedeutenden Vorzug, dass sie mit Contrapunzen (damit wurde das
Innere der Buchstaben e а о b d u. s. w. eingeschlagen) viel tiefer
geschnitten sind, als die der anderen, welche gewöhnlich die Vertiefungen
nur mit dem Gravireisen ausstachen. Er hat auch eine Abhandlung
geschrieben, worin er folgende Fragen behandelte: 1. wie der Stahl und
das Kupfer behandelt werden müssen, 2. was zu einem guten Schrift¬
stempelschneider erforderlich ist, 3. wie wenig gute und tüchtige
Schriftstempelschneider es gegeben hat, 4. dass die gegenwärtigen
Schriftstempelschneider keine Contrapunze anwenden, 5. welche Vor¬
theile die mit Contrapunzen gemachten Schriften dem Buchdrucker
gewähren (sie haben die doppelte Dauer und sind im Drucke reiner und
klarer). Leider scheint diese Abhandlung nie veröffentlicht worden zu
sein. Endlich hebt Enschedé hervor, dass Fleischmann auch aus¬
gezeichnete Giessinstrumente machte, von denen sich über hundert in
seiner Giesserei befanden, und dass seine Matrizen sich durch eine
mathematische Genauigkeit auszeichneten, wie sie bis dahin nie vor¬
handen war.
England, welches sich in den früheren Jahrhunderten auf
typographischem Gebiete nicht ausgezeichnet hatte, entwickelte im
XVIII. viel Streben und Rührigkeit. Im Jahre 1710 ging ein junger
Schriftgiesser, Thomas James, nach Holland, um sich daselbst Abschläge