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Bodoni.
zusagenden Werken geliefert, bei weitem übertroffen zu haben. In der
Regelmässigkeit suchte und fand er das Princip des wahren Schönen
sowohl im Schnitt der Typen, als in der Anordnung des Satzes.
Obwohl er über tausend verschiedene Einfassungen besass, zog er
doch bei Büchern die einfachen Linien vor und schuf damit eine wohl-
thätige Reaction gegen die Schnörkeleien der Perückenzeit. Seine
Typen sind von bewundernswerther Schönheit, er besass 144 Antiqua-
und Cursivschriften, 108 Versalschriften, eine Reihe von Schreib¬
schriften und eine grosse Anzahl fremder, besonders orientalischer
Schriften. Den grössten Theil dieser Schriften hat er selbst geschnitten,
einen Theil die Brüder Amoretti. Zierschriften fehlen, welche Kunst
Bodoni aber seinen einfachen Titelschriften widmete, davon erzählt
Stendhal eine treffende Anekdote. Bodoni zeigte diesem die von ihm
gedruckten Werke französischer Autoren und fragte ihn dann, welches
er vorziehe, den Telemach, Racine oder Boileau. Stendhal gestand,
dass er alle drei schön finde. „Ach Herr!“ sagte Bodoni, „Sie sehen
den Titel von Boileau nicht recht an!“ Stendhal betrachtete ihn
genauer, fand ihn aber nicht anders als die ändern Titel. „Ach Herr!“
rief jetzt Bodoni sehr lebhaft, „,BOILEAU DES PRÉAUX1 auf einer
einzigen Zeile von grossen Buchstaben; sechs Monate habe ich
gebraucht, bis ich diese Schrift heraus hatte!“ Aehnliches kann man
von seinen 144 Antiqua- und Cursivschriften sagen; unter diesen
befinden sich 10 Arten Garmond, welche nur ein typographisches
Künstlerauge unterscheiden kann (s. S. 478). Seinen fremden Schriften
kann ich nicht das Lob geben, welches andere ihnen gespendet haben,
unter den griechischen sind mehrere, welche mehr seltsam als schön
sind, die Devanagari ist der der Propaganda gleich und den Hand¬
schriften nicht entsprechend, die arabische zeigt keine besondere
Schönheit und die deutsche Fractur ist hässlich und falsch. Dagegen
sind seine zahlreichen russischen Schriften schön, obgleich heute nicht
mehr zeitgemäss. Sein 1806 erschienenes Vaterunser in 155 Sprachen
und Typenformen wurde gleichwohl allgemein bewundert. Bodoni sah
sein Streben anerkannt, 1806 erhielt er auf der Pariser Ausstellung
die grosse goldene Medaille, der König von Spanien ernannte ihn zum
Hofbuchdrucker, Napoleon verlieh ihm den Orden der eisernen Krone
Italienische und französische Buchdruckereien.
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und sein Bruder denjenigen beider Sicilien und der Réunion, die Stadt
Parma liess eine Medaille auf ihn prägen, seine Druckerei wurde von
vornehmen Reisenden als eine Merkwürdigkeit besucht und seine
Schriften von den besten Buchdruckereien erworben. Neben der
herzoglichen hatte er eine eigene Buchdruckerei errichtet, dieselbe
wurde nach seinem 1813 erfolgten Tode von seiner Witwe fortgeführt,
welche ihm auch durch die Herausgabe seiner Schriftproben in zwei
Bänden (Manuale tipografico) 1816 das schönste Denkmal errichtet hat.
In Padua wurde 1717 eine grosse Officili zur Herausgabe
classischer Schriften des Alterthums von den beiden gelehrten Brüdern
Garetano und Giovanni Antonio Volpi errichtet und die Leitung dem
durch grosse technische Kenntnisse ausgezeichneten Giuseppe Comino
übertragen. Mai? kennt 20 CoMiNische Classikerausgaben, sie zeichnen
sich durch gefälliges Aeussere und Correctheit des Textes aus.
Eine armenische Druckerei entstand 1701 in dem von Mechitar
auf der Insel S. Lazaro bei Venedig gegründeten Kloster der Mechita-
risten. In dieser Druckerei wurde 1733 die Bibel gedruckt, später der
Thesaurus linguae armenicae und die Chronik des Eusebius.
Nach Fournier gab es im XVIII. Jahrhundert in Venedig einige
Giessereien, die aber wenig geachtet waren; Rom hatte nur eine
Giesserei, die vaticanische. In Turin wurde 1742 eine Giesserei
errichtet, die von Fournier Abschläge bezog, sie gehörte einer Gesell¬
schaft von Personen, welche in der königlichen Druckerei beschäftigt
waren. In Mailand wurde 1719 eine Giesserei von Bellagata gegründet,
sie besass Punzen, welche von einem wandernden Graveur, Ignatius
Anton Keblin, gekauft waren, und ging an die Brüder Sangiusti über,
von denen einer Schriftgiesser, der andere Uhrmacher war.
Frankreich glänzte schon in früheren Jahrhunderten durch die
Geschicklichkeit und den Geschmack seiner Schriftschneider; seine
Graveure des XVIII. Jahrhunderts vermehrten diesen Ruhm. Die
Schriltgiesserei Guillaume le Bés ging 1730 an Fournier den Aelteren
über, der die Kunst des Graveurs mit der des Schriftgiessers ver¬
einigte. Sein Bruder, Fournier der Jüngere, errichtete 1736 zu Paris
eine eigene Giesserei, für welche er selbst alle Stempel schnitt, die
Matrizen schlug und justirte, auch eine Anzahl Instrumente eigener