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JBuehdruckereien im Jahre 1740. Breitkopf.
Im Jahre 1740 zählte Leipzig die meisten, nämlich 17 Druckereien,
dann folgte Halle an der Saale nach Gessner mit 13, nach Dr. Gustav
Schwetschke mit 16 Druckereien (bei Gessner fehlt unter anderen die
Waisenhausdruckerei, welche schon 1699 druckte, 1701 1 Factor und
2 Gesellen hatte und später in der CANSTEiNschen Bibeldruckerei die
thätigsten Pressen besass); Jena und Erfurt hatten je 9 Druckereien,
Frankfurt am Main 8, Wien, Berlin, Hamburg, Nürnberg je 7, Augsburg
und Wittenberg je 6, Dresden und Frankfurt an der Oder je 5. Uebrigens
folgt aus demümstande, dass eine Stadt nur eine Druckerei besass, noch
keineswegs deren Unbedeutendheit, ein ausschliessliches Privilegium
hinderte nicht selten die^ Errichtung einer zweiten Druckerei, wie in
Breslau, und eine solche privilegíete Werkstätte konnte dann mehr
Pressen beschäftigen, als mehrere Druckereien in Städten, wo die Zahl
nicht beschränkt war.
Unter den deutschen Buchdruckern des XVIII. Jahrhunderts
haben sich mehrere europäische Berühmtheit erworben, wesshalb über
dieselben einige Notizen am Platze sind.
Johann Gottlob Immanuel Breitkopf war der Sohn eines
Buchdruckers (Bernhard Christoph), der von Klausthal gebürtig, im
Jahre 1719 zu Leipzig des Buchdruckers Müller Witwe geehelicht
und deren arg vernachlässigte Buchdruckerei und Schriftgiesserei zur
ersten Officin Leipzigs und Deutschlands erhoben hatte. Immanuel, am
23. November 1719 geboren, war vom Vater zur Fortführung des
grossartigen Geschäfts bestimmt, aber er hatte dazu wenig Neigung,
denn er liebte das Stuçüum, hasste den Kaufmannsgeist und seinem
lebhaften Geiste sagte das mechanische Einerlei des Geschäftswesens
nicht zu. Nur in Folge eines Compromisses, wonach der Vater dem
wissenschaftlichen Streben des Sohnes keine Hindernisse bereitete,
lernte er die Buchdruckerkunst und postulirte 1736 als Geselle, wobei
er aber auch die Universität besuchte und sich eine wissenschaftliche
Bildung aneignete. Erst als sein klarer Geist die Nichtigkeit der
scholastischen Studien erkannte und sich der Mathematik zuwendete,
erwachte ein früher ungekanntes Interesse für die Buchdruckerei in
ihm. Dürers „Unterweisung“ erregte in ihm das Verlangen, auch die
jetzigen Typen in ihren Proportionen mathematisch zu berechnen,
J. G. I. Breitkopf.
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und das Studium der Incunabeln erweckte in ihm die Lust, den Druck
zu verbessern; in der Buchdruckerei erblickte er die Perspective eines
reichen geistigen Schaffens und mit Beruhigung konnte der Vater
dem 26jährigen Sohne im Jahre 1745 die Leitung der Buchdruckerei
anvertrauen, um sich fortan ausschliesslich dem Verlag zu widmen. Die
erste Frucht der mathematisch-typographischen Versuche des jungen
Breitkopf war die Herstellung der Musiknoten mittelst Typentheilen,
deren Beweglichkeit die Wiedergabe selbst der Partituren ermöglichte,
während' die bisherigen Noten nur zu Liedern ausreichten. Mit diesen
druckte er 1756 eine dreibändige Opernpartitur, sowie die Kataloge
der Musikalienhandlung, welche er nebst dem Buchhandel führte.
Weniger praktisch, aber von hohem typographischen Interesse waren
seine Versuche, typographische Landkarten, Portraits aus Linien und
Punkten, chinesische Zeichen aus Typentheilen herzustellen und die
Idee, mathematische Figuren, die bisher nur mittelst Kupferstich oder
Holzschnitt hergestellt wurden, mit beweglichen Lettern zu drucken.
Heutzutage, wo die graphischen Künste so vielerlei Methoden zu
Reproductionen von Schrift und Zeichnungen geliefert haben, mögen
diese Bestrebungen als unnütz erscheinen; sind aber die Prachtwerke,
auf welche die Buchhändler viele Tausende verwenden und die von
ihren vornehmen Käufern kaum gewürdigt werden, nicht in gleichem
Sinne unnütz? Breitkopf war ein typographischer Idealist, der sich
in kühnen Problemen erging, zu denen mehr die Schwierigkeit der
Aufgabe als der praktische Erfolg ihn anreizte; aber über diesen
Ideen vernachlässigte er sein Geschäft in keiner Weise. Unermüdlich
und selbständig leitete er die Buchdruckerei, die Schriftgiesserei, die
Buchhandlung und seine 130 Arbeiter, er führte eine Buchhandlung in
Dresden, kurze Zeit auch in Bautzen und verwaltete sechs Häuser
und ein Rittergut. Dieses materielle Schwergewicht mag Breitkopf
gehindert haben, sich in phantastische Ideen zu verlieren, es hinderte
' ihn aber auch, manches Tüchtige zu vollenden. Wenn seine Musik¬
noten im embryonischen Zustande geblieben wären, würde man
vielleicht auch sie für ein unlösbares Problem gehalten haben, so aber
sind sie bahnbrechend für eine neue Richtung geworden. Auch sonst
wirkte sein Idealismus wohlthätig. Obgleich im Besitze von Schriften,
Faulmann, Gesch. d. Buchdruckerkunst. 39