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Begünstigung elei- Buchdruckerei in Frankreich.
den Besuch des katholischen Gottesdienstes beibringen konnte. Am
11. September dieses Jahres wurde diese Verordnung gegen die Buch¬
händlerfamilie Caillaü zu Rouen, die reformirter Confession war,
zur Ausführung gebracht. ■
Dabei liebte es der französische Hof, die Buchdruckerkunst selbst
auszuüben. Es existirt ein von Ludwig XV. gedrucktes Buch, betitelt:
Cours des principaux fleuves et rivières de l’Europe, composé et imprimé
par Louis XV., roij de France et de Navarre, en 1718. Paris, clans
l’imprimerie du cabinet de Sa Majesté, dirigée par J. Colombat. Die
Dauphine, Mutter Ludwigs XVL, hatte in ihrem Schlosse zu Versailles
eine Druckerei und druckte: Elévation de coeur à N. S. I. C., imprimé
de la main de Madame la Dauphine, 1758, in Sedez. Der Herzog von
Burgund, älterer Bruder Ludwigs XVI., besass gleichfalls eine Druckerei
und druckte: Prières à l’usage des Enfants de Frame, 1760, in Duodez. Die
Herzogin von Bourbon, natürliche Tochter Ludwigs XV., hatte eine
Druckerei im Palais Bourbon. Die Marquise Pompadour wollte den
Prinzessinnen nicht nachstehen, liess sich eine Druckerei in ihrem
Schlosse einrichten und druckte einige Verse des Corneille (Bodagune,
princesse de Partîtes), sie soll auch die Platte, welche sich an der Spitze
des Buches befindet, gravirt haben, wobei jedoch dahingestellt sein
mag, wieviel Antheil daran der sie unterrichtende Künstler hatte. Nach
den deutschen Postulatsvorschriften wäre den letztgenannten Damen
der Druck, oder wenigstens das Erlernen der Buchdruckerkunst nicht
erlaubt worden, doch bleibt es fraglich, ob diese Vorschriften auch
auf solche Kreise Anwendung gefunden hätten. Ludwig XVI. druckte:
Maximes mondes et politiques, tirées de Télémaque, imprimées par Louis
Auguste, Dauphin, j.766. Barletti de Saint-Paul, der Autor eines neuen
typographischen Systems, erhielt von diesem König eine Gratification
von 20.000 Francs.
Der hohe Adel blieb natürlich nicht zurück, der Fürst von Ligne.
und viele andere hatten in ihren Schlössern Privatdruckereien.
Die Revolution des Jahres 1789 brachte eine gänzliche
Umwälzung der Verhältnisse in Frankreich. Am 4. August dieses Jahres
wurde die Abschaffung aller Privilegien decretirt. Am 26. August
beschloss die Nationalversammlung: „der freie Austausch der Gedanken
Die Buchdmckei-kunst während der Revolution.
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und Meinungen ist eines der kostbarsten Menschenrechte, jeder Bürger
kann daher frei sprechen, schreiben und drucken, unbeschadet der
Behinderung des Missbrauches dieser Freiheit in den im Gesetze vorher¬
gesehenen Fällen.“ Ein Antrag des Abbé Sieyès vom 20. Jänner 1790,
die Pressdelicte den Geschwornen zuzuweisen, wurde zwar applaudirt,
aber vertagt und dann vergessen; es herrschte unbeschränkte Press¬
freiheit. Jeder Libellist hatte seine Presse und sein Journal; die 36
privilegirten Buchdrucker sahen sich plötzlich einer unbeschränkten
Concurrenz gegenüber, zumal am 11. März 1791 die Innungen und
Corporationen aufgehoben wurden, und jeder, welcher ein Patent
bezahlte, jedes beliebige Gewerbe betreiben konnte. Bei der grossen
Rolle, welche die Buchdruckerkunst in dem nun entstehenden Partei¬
getriebe bildete, kann man übrigens zweifeln, dass die Gehilfen, welche
nun selbst Druckereien errichteten, das Geld an ein Patent wendeten;
hatten sie einen der vielen gefürchteten Journalisten als Kunden und
Beschützer, so brauchten sie nach der Obrigkeit nicht zu fragen. In
der That wurde auch schon 1793 diese Beschränkung aufgehoben und
erst am 22. Juli 1795 wieder eingeführt.174 Dupont, welcher als con-
cessionirter Buchdrucker des zweiten Kaiserreiches die Beschränkung
der Buchdruckerkunst und die Privilegien vertheidigt, hat die Zustände
der Buchdruckerkunst während der Revolution in den schwärzesten
Farben geschildert, jedoch einen grossen Irrthum begangen, indem er
die Gewerbefreiheit für die schlechten Producte der Revolutionszeit
verantwortlich machte. Die Zeit der französischen Revolution war die
Zeit eines Bürgerkrieges und unter den Waffen schweigen die Musen,
auch während der Kriege Napoleons I. sind keine bedeutenden Werke
erschienen. In solchen Zeiten werden die Bücher durch die Flugblätter
und Zeitungen erstickt und der billige Preis der Erzeugnisse der Presse
lässt keine guten Arbeiten aufkommen. Noch heutzutage enthalten die
Verlagscontracte die Bestimmung, dass sie im Falle eines Krieges als
suspendirt gelten, weil in solchen Zeiten der Buchhandel stockt. Es ist
möglich, dass in Frankreich, wo durch die Verordnungen schlechtes
Papier und schlechte Lettern bei Druckwerken verboten waren, das
graue Papier und die abgenützten Lettern der Revolutionszeit
besonders unangenehm in die Augen fielen, ln Deutschland, wo alle